Die Working Poor sind Menschen, die über kein existenzsicherndes Einkommen verfügen, obwohl sie erwerbstätig sind. Für sie ist jede unvorhersehbare Ausgabe wie zum Beispiel ein neuer Kühlschrank oder steigende Preise für Medikamente und Strom eine Katastrophe. Auch in der Schweiz ist das absurde Phänomen «Armut trotz Arbeit» relativ weit verbreitet. 2006 gab es gegen 150000 Working Poor, zum Beispiel Einzelpersonen, die weniger als 2200 Franken verdienten, oder Familien mit zwei Kindern, deren Einkommen unter 4650 Franken pro Monat lag.
Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz punkto Working Poor ausgesprochen schlecht ab. In den meisten Ländern sind die Leute arm, weil sie keinen Arbeitsplatz haben. In der Schweiz hingegen sind fast alle Armen, rund 80 Prozent nämlich, erwerbstätig. In mehr als der Hälfte der «armen» Haushalte gehen sogar zwei Personen einer bezahlten Arbeit nach. Das ist im OECD-Vergleich ein trauriger Spitzenplatz, noch vor Mexiko und der Türkei.

LÖHNE RAUF. Eine bezahlte Stelle ist in der Schweiz also keine Garantie dafür, dass genug Geld da ist zum Leben. Dagegen hilft nur eins: die Löhne müssen rauf. Darum hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund im letzten Frühling eine angepasste Neuauflage seiner Mindestlohnkampagne lanciert: Kein Lohn unter 3500 Franken. Bei Männern und Frauen mit Ausbildung kein Lohn unter 4500 Franken. Denn wer zum Beispiel im Buchhandel oder im Detailhandel arbeitet und eine Lehre gemacht hat, schafft es mit seinem Lohn nicht über die Armutsschwelle, sobald Kinder da sind.

PRÄMIEN RUNTER. Höhere Mindestlöhne alleine reichen jedoch nicht aus, um das Phänomen «Armut trotz Arbeit» zu bekämpfen. Es braucht zusätzlich mehr Prämienverbilligungen bei den Krankenkassen und höhere Kinderzulagen. Und die Besteuerung von tiefsten Einkommen gehört endlich abgeschafft.

Bruna Campanello ist Mitarbeiterin beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). work, 4.12.2008