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Die Vogelwelt des Greifensees

Werte Damen und Herren

Es ist mir eine Ehre, bei dieser Gelegenheit und an diesem für unsere Leidenschaft bedeutsamen Ort einen kleinen Vortrag über die Vogelwelt des Greifensees halten zu dürfen. Wie sie vielleicht wissen, bin ich Mitglied der Schweizerischen Avifaunistischen Kommission SAK der Vogelwarte Sempach und somit für die Beobachtung und Protokollpflicht seltener Arten zuständig. Meine Ausführungen bestehen sich deshalb (fast) ausschliesslich aus Zitaten der einschlägigen Kommissionsberichte und Vogelbeschreibungen.

Lassen Sie mich aber mit den Aktualitäten dieses Frühjahrs ausserhalb des Greifensees beginnen: Die einzige und protokollpflichtig Doppelschnepfe zeigte sich mit ihren charakteristischen weissen Schwanzaussenkanten Anfang Mai im Waadtland. Herausragend die Entdeckung von gleich zwei rastenden Terekwasserläufern am Neuenburgersee, wo sie sich auf einem Pfosten ausruhten, während männliche Samtkopfgrasmücken bei Sufers Graubünden durchs Buschwerk hüpften.

Nun zum Hauptthema des heutigen Abends: Dem Greifensee. Hier finden sich 61 Brutvogelarten, davon 10 auf der Roten Liste. Der Beobachtungssteg bei Schwerzenbach könnte als eigentliches Mekka der Dommel-Freunde tituliert werden. Im Sommer ist hier eine Begegnung mit der Zwergdommel fast unvermeidbar, während diese im Winter von ihrer grossen Schwester, der Rohrdommel, abgelöst wird. Ebenfalls bemerkenswert sind die Flussseeschwalben, ruffreudige, elegante und grazile Vögel. Mit eindrücklichen Sturzflügen tauchen sie ins Wasser, um kleine Fische zu erbeuten. Im Jahre 1950 waren sie aus der Schweiz verschwunden, im Jahre 2008 zählten wir allein am Greifensee wieder 30 Paare.

Der Haubentaucher (Podiceps cristatus) gilt als der eigentliche Charaktervogel des Greifensees. Über die Hälfte der Paare, die im Kanton Zürich brüten, tun dies auf dem Greifensee. Er sieht in der Luft wie ein fliegender Bleistift mit Flügeln aus.  Das Liebeswerben der Haubentaucher ist ein faszinierendes Schauspiel. Wenn die beiden Partner beim Kopfschütteln abwechslungsweise einen Knicks machen, nimmt der Zwischenraum der Hälse die Form eines Herzens an. Die Balz erreicht ihren Höhepunkt, wenn die Partner abtauchen, dann Brust an Brust emporschiessen und sich gegenseitig Pflanzenteile präsentieren und schenken, die für den Nestbau geeignet sind.

In Uster lebt aber auch das einzige bekannte sogenannte Ustemer Haubentaucherpaar. Es ist unbekannt weshalb dieses Paar gerade in Uster ein Nest gebaut hat, wählen doch Haubentaucher sonst eher den Schilfgürtel am Greifensee, wobei das Männchen jeweils prüft, ob das Nest nicht untergeht. Das Ustemer Haubentaucherpaar unterscheidet sich auch in einigen anderen Punkten von normalen Haubentauchern. Das Weibchen besitzt einen langen, weissen Hals, der feingliedrig und spiraldynamisch ausrichtet ist. In früheren Jahren wurde es auch in Basel gesehen, Kurzaufenthalte tagsüber in Zürich sind ebenfalls belegt. Es ist überraschend kräftig und tanzt auch ausserhalb der Balz-Zeit sehr gerne. Der Gesang des männlichen Ustemer Haubentauchers ist wohltönend, durchaus laut und für schallende Arien und Hannes-Wader-Lieder bestens geeignet.

Haubentaucher errichten während der Balzzeit gemeinsam ein oder mehrere Nester. Beim Ustemer Paar sind über die Jahre sogar mehrere sogenannte Praxisbauten beobachtet worden. Die Aufzucht der Jungen findet gemeinsam statt, mit drei Jungvögeln hat das Ustemer Haubentaucherpaar ein typisches Vollgelege aufgezogen. Allerdings wurden die Jungvögel nicht wie üblich auf dem Rücken der Elternteile herumgetragen, sondern sind in Einzelfällen bis in die Philippinen ausgeflogen. Beim Ustemer Haubentaucher bemerkenswert ist die langjährige Gemeinsamkeit – noch unerforscht sind die Gründe, möglicherweise liegt das an den unabhängig von der Balzzeit durchgeführten häufigen Tanzveranstaltungen und Festivitäten. Falls Sie also heute noch zum Tanz kommen, achten sie auf den typischen Pinguin-Tanz der Haubentaucher: Das Paar richtet sich auf dem Wasser Brust an Brust auf, die Vögel schütteln die Köpfe und schlagen mit den Füßen auf das Wasser.

Es ist mir eine besondere Freude, das Ustemer Haubentaucher-Paar an der nächsten Sitzung der avifaunistischen Kommission als Schweizerische Erstbeobachtung zu Protokoll geben zu können. Ich gratuliere dem Paar und wünsche ihm noch viele Jahre Balz.

Bern/Uster 4.7.2020