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Stadt und Stadtmusik

Verehrte Mitglieder der Stadtmusik Bern

Liebe Gäste

 

Es ist mir eine grosse Ehre, dass ich der Stadtmusik die Grüsse der Stadt Bern überbringen darf.

 

Die Stadtmusik Bern ist im Aufbruch. Dafür steht diese Feier mit dem innovativen Programm, dafür steht die Zusammenarbeit mit der Knabenmusik, mit den Jugendlichen im Paul Klee Zentrum, und vor allem aber Engagement und Begeisterung von Leitung und Mitwirkenden der Stadtmusik. Diese Aufbruchsstimmung, die Offenheit für neue Wege, habe ich in der Vorbereitung auf diese 200-Jahr-Feier deutlich wahrgenommen. Auch das Motto „Zeitreise“ unterstreicht, dass sich die Stadtmusik auf einer Reise befindet – die eine Geschichte, aber auch eine Zukunft hat.

 

Eine solche Stadtmusik passt gut zur Stadt Bern – auch die Stadt erlebe ich als lebendig, selbstbewusst und vielfältig: Seit einigen Jahren wächst die Bevölkerung, die finanzielle Lage hat sich gebessert, neue Quartiere sind entstanden und weitere werden geplant, neue Formen der Integration und der Partizipation ermöglichen neuen Bevölkerungskreise und Jungen mehr Beteiligung am öffentlichen Leben. Und nicht zu vergessen: Auch die Stadt feiert dieses Jahr. Seit Jahrzehnten findet endlich wieder einmal ein Stadtfest statt.

 

Seit der Gründung vor 200 Jahren steht die Stadtmusik für die Stadt, und zwar für die Stadt als eigenständiger Teil des Kantons. Bis zur französischen Revolution waren Stadt und Staat ein und dasselbe. Erst die Helvetik brachte 1798 die Trennung von Stadt und Kanton. Mit der Restauration 1816 hat dann zwar das Patriziat für kurze Zeit das Rad zurückgedreht und die Eigenständigkeit der Stadt wieder aufgehoben – was bei den Stadtbürgern natürlich zu grossem Protest geführt hat. Just in dem Moment ist eben diese Stadtmusik vom patrizischen Regierungsrat gegründet worden. Wenn das auch vom Regierungsrat vielleicht gar nicht so beabsichtigt war, bin ich trotzdem überzeugt: als Stadt- und als Blasmusik hat die Berner Stadtmusik den Keim des neuen Zeitalters mit dem Aufschwung der Städte bereits in sich getragen. Militärmusik und Blasorchester sind mit Napoleon gekommen und waren damals neu. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich die Technik so verbessert, so dass Blasmusik lauter wurde und gleichzeitig einfacher, damit auch Amateure die Instrumente spielen konnten. Diese neue Kultur ist verbunden gewesen mit dem liberaleren, demokratischeren Geist seit der Helvetik, dieser Geist ist weiter gewachsen und hat die Restauration nicht nur überdauert, sondern überwunden mit der liberalen und demokratischen Bewegung ab 1831. Manifestiert hat sich diese Bewegung in vielen Vereinen und ihren Feiern und Festen, Schützenfesten, Musikfesten, Turnerfesten. Diese Vereine waren damals typisch städtisch, weniger ländlich, nicht patrizisch, sondern burgerlich. So hat sich breiteren Bevölkerungskreisen den Zugang zu Musik und allgemein Kultur geöffnet und die Stadtmusik hat für die Stadt Bern und darüber hinaus einen wichtigen Anteil daran. In diesem Sinn begleitet die Stadtmusik die Stadt Bern in ihrem Aufschwung, in ihrer Entwicklung als moderne Stadt, der eben auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt, von Anfang an bis auf den heutigen Tag – und hoffentlich auch darüber hinaus.

 

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts feierte die Stadtmusik Grosserfolge und wurde gemäss Festschrift in Paris 1912 „bejubelt wie Rockstars – eine heute kaum mehr vorstellbare Situation“. Ich wäre da nicht so sicher. Vorausgesetzt dass, wie ich mit Schmunzeln in der Festschrift gelesen habe, die Stadtmusik das Absenzenwesen in Griff kriegt, ein Problem, das jede und jeder kennt, der in einer Musik oder Band spielt. Man darf nicht vergessen: Das üben bei der Stadtmusik passiert in der Freizeit. Aber auch hat die Blasmusik ihre Liebhaber und begeisterte Anhänger, und sie hat eine lange Tradition. Alle Musikrichtungen erfinden sich immer wieder neu: das passiert heute auch bei Chören, der Volksmusik, und - das heutige Konzert ist ja gerade ein Beweis dafür - auch bei der Blasmusik. Wenn ein Chor Popstar kann werden, kann auch eine Blasmusik Filmstar sein. Die Blasmusik ist lebendig und die Stadtmusik kann stolz sein auf ihren Beitrag.

 

Natürlich spielen auch die Finanzen eine Rolle. Als Stadtratspräsident bin ich kein Geld- sondern höchstens ein Wortverteiler. Trotzdem so viel: Ich bin überzeugt, Kultur braucht öffentliche Unterstützung. Und das macht noch lange keine Staatskultur. Die Kultur hat wichtige Aufgaben und Funktionen in der Gesellschaft, die sie eben der Gesellschaft und nicht nur dem Einzelnen und Privaten gegenüber hat, der dafür bereit ist zu zahlen und das nötige Geld hat. Diese Aufgaben manifestieren sich in Projekten, in Experimenten, aber nicht nur: auch Konstanz und Berechenbarkeit gehört zu den Grundlagen der Kultur. Schliesslich: Kultur braucht auch dann Unterstützung, wenn der politische Mainstream immer nur sparen fordert. Denn Kultur macht einen Teil dessen aus, was eine Gesellschaft ist, sie ist für uns alle auch Lebensqualität.

 

Das beginnt bei den Kindern. Die Stadt Bern möchte dass jedes Kind ein Instrument lernt – übrigens auch eines dieser Beispiele für den Aufbruch in Bern, der sich nicht nur in Quartieren oder Gebäuden äussert, sondern eben auch in gesellschaftlichen Belangen. Kultur und Kulturvermittlung Milieus trägt viel zur Integration, zur Sozial- und Selbstkompetenz bei. Sing- und Instrumentalunterricht für 800 Kinder der 1.-4. Klasse ist das Ziel von Bern. Aktuell gibt es bereits 24 Singklassen. Die Kinder, die das mitbekommen, werden später vielleicht Rockstar oder Blasmusiker-Innen oder beides. Und dafür wiederum brauchen sie Vorbilder und Orte, wo sie ihre Musik auch später spielen können, wie eben die Stadtmusik Bern.

 

Musik verbindet. Ich bin selber der einzige Blasmusiker in der wohl einzigen Parlamentsband der Schweiz. Ich spiele Saxophon in der Band Fraktionszwang des Berner Stadtrates. Wir sind Parlamentarierinnen und Parlamentarier die Musik machen und nicht umgekehrt. Das hört man auch. Ich hätte natürlich gerne mehr Unterstützung, so dass es zu einem satten Bläserset reicht. Und wo finde ich die eher als bei der Stadtmusik. Wenn Sie also im Herbst für den Stadtrat kandidieren möchten – also Kandidaten für das Stadtpräsidium hat es genug-  kann ich nur sagen: machen sie das. Im Interesse der Kultur, im Interesse der Bläser.

 

Was schenkt man einer Stadtmusik? Zum 100 Jährigen gab es Zinnbecher, Lorbeerkränze, und 6 Flaschen Zuger Kirsch, ich habe nicht herausgefunden warum ausgerechnet Zuger Kirsch. Für das 200 Jährige gibt es von mir persönlich, fast schon Ehrensache, Basler Kirsch und eine CD von Fraktionszwang. Vor allem aber möchte ich der Stadtmusik Bern als „höchster Berner“ im Namen der Stadt Bern zum Jubiläum herzlich gratulieren und ihr meine grosse Wertschätzung ausdrücken für ihren Beitrag zur Geschichte und Kultur der Stadt Bern. In diesem Sinne: Gruss an die Stadtmusik!

2.4.2016

 

Zu den Fotos erste Reihe: Beim Apero mit Annemarie Schwaller (links) und Claudia Widmer (beide im OK 200 Jahre Stadtmusik, Foto Andreas von Gunten). Mehr im Berner Bär. Mit Ursula Wyss und Thomas Christen (weitere Fotos zvg).

Auftritt der Stadtmusik mit Doppelquartett Edelweiss Bern - Mitwirkende des Galaabends

Als Stadtratspräsident beim Grusswort - mit "Geschenk" einer CD Fraktionszwang mit einem Augenzwinkern