Skip to main content Skip to page footer

Extremliberalismus 1979-2040

Das Szenario, mit welchem die Berner Zeitung ein positives Bild des Jahres 2040 entwirft, wirkt für mich kalt, aufgeräumt und leblos. Sinnbild dafür ist das Motto der FDP-Stadtpräsidentin von 2040 „Eigenverantwortung, Eigenständigkeit und Beharrlichkeit“. Der Jahrhundertslogan der FDP schwingt mit: „Weniger Staat, mehr Freiheit“. Es ist ein rein marktwirtschaftliches Motto, in dem für den Begriff der Gesellschaft kein Platz ist. Gadmen ist im privaten Besitz einer Chinesischen Reederei.

 

Erinnerungen an  Margareth Thatcher und Ronald Reagan werden wach. Ihren Aufstieg habe ich erlebt, als ich an der London School of Economics studierte. Sie brachten Verachtung für die Gesellschaft und den Staat in die Politik. Nur noch die Privatwirtschaft zählte. „There is no such thing as society“, sagte Thachter, und Reagen meinte: „Government is not the solution to our problem, government is the problem“. Was viele nicht wissen: Die Schweizer FDP gilt weltweit als Vorreiterin der neoliberalen Ideologie. Bereits ab Mitte der 1970er Jahre wetzte der Gewerbeverband das Messer gegen den Bundesrat, der sich damals noch für konjunkturpolitische Massnahmen einsetzte. Schliesslich gelang es den neoliberalen Gewerblern um Otto Fischer, die FDP im Wahlkampf 1979 auf das Motto „Weniger Staat, mehr Freiheit“ zu verpflichten.

 

„Extremliberalismus“ nennt der langjährige FDP-Präsident Franz Steinegger diese Haltung, sie habe „2008 zum Fiasko geführt und zum Scheitern des Kapitalismus. Er musste in fast allen Ländern vom Staat gerettet werden.“ Und zum Slogan meinte Steinegger: „Ein toller Slogan, der uns fantastische Ergebnisse gebracht hat. Der Nachteil war: Danach war er in den Köpfen drin.“ Er ist noch heute in den Köpfen drin, und wirkt bis 2040.

 

Dazu war kürzlich im Magazin ein Artikel zu lesen: „Wir kaufen alles“, gemeint sind Fussballclubs, Universitäten, Gefängniszellen, Leihmütter, etc. Folge davon ist unter anderem der Verlust von zivilem Engagement zugunsten von finanziellen Anreize, oder anders gesagt: der Ersatz von Gesellschaft durch Kommerz. Wer soll sich noch engagieren, wenn alles zum Kaufen ist?

 

Zum weiter lesen:

„Weniger Staat, mehr Freiheit“, Die Schweiz und die Anfänge des Neoliberalismus, Jean-Pierre Ghelfi, in „Keinen Schritt umsonst getan“, Blicke auf die Gewerkschaft SMUV, Baden 2004.

„Wir kaufen alles“, David Iselin, Magazin 25/2012, darin Michael Sandel, „What money can’t buy. The moral limits of Markets“, New York 2011