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Soziale Innovation in Bern

In Bern haben in den letzten Jahren einige Entwicklungen stattgefunden, welche man als wichtige und weitreichende soziale Innovationen für den Zusammenhalt der Gesellschaft bezeichnen könnte. Dazu gehören etwa die neuen Formen der Partizipation, die sogar unter der Bezeichnung Berner Modell bekannt sind. Es geht um Verkehrsplanung mit einem umfassenden Einbezug der Bevölkerung und dem Ziel der rücksichtsvollen Koexistenz verschiedener Verkehrsteilnehmer. Die Resultate kann man beispielweise in Köniz an der Seftigenstrasse und der Schwarzenburgerstrasse im Alltag beobachten.

 

Eine ebenso grosse Bedeutung mit Schweiz weiter Beachtung könnten in Zukunft das Projekt „Haus der Religionen“ oder die Frühförderung von Vorschulkindern haben. Diese ist soeben in der Stadt Bern nach einer fünfjährigen Pilotphase eingeführt worden, und berücksichtigt nicht nur Kinder bis 5 Jahren, sondern auch ihre Eltern, die Muttersprache und den familiären Hintergrund. Weitere Projekte, die als soziale Innovationen auch Basis für eine wirtschaftliche Entwicklung darstellen könnten: Eine KMU-nahe Arbeitsgruppe der städtischen SP hat Möglichkeiten für dezentrale Versorgung mit erneuerbaren Energien unter Einbezug der MieterInnen ausgearbeitet. Konkret umgesetzt könnte damit an die frühere, weitsichtige Ausrichtung des Kantons Bern an eine dezentrale Energieversorgung angeknüpft werden, was insbesondere auch für ländliche Regionen von grosser Bedeutung sein könnte. Eine Gruppe von StadträtInnen engagiert sich für eine bürgernahe, leicht verständliche Darstellung des städtischen Budgets. Meine These: der Stadt-Landgraben in Bern und die wenig konstruktive Oppositionsrolle der Bürgerlichen in der Stadt verdecken manchmal neue, interessante Entwicklungen, welche Bern durchaus mit mehr Selbstbewusstsein wahrnehmen könnte.

 

Ein oft übersehenes Element für diesen tiefen Graben zwischen Land und Stadt liegt in der fehlenden Erfahrung mit einem Roten Bern in der Zwischenkriegszeit. In Basel, Zürich, Genf, aber auch in Biel gab es Phasen mit linken politischen Mehrheiten, in welchen einerseits wichtige kommunale Projekte vorangetrieben wurden (z.b. der Bau von Genossenschaftswohnungen). Gleichzeitig konnten die bürgerlichen Parteien Erfahrungen mit der Opposition sammeln. Viele Bürgerliche der Stadt Bern, namentlich die FDP und SVP, scheinen diese Rolle nach wie vor nicht ertragen zu können. Zwar bescheinigen auch unabhängige Beobachter, dass rot-grüne PolitikerInnen generell eine zumindest ebenbürtige Stadtpolitik betreiben. Trotzdem stimmen bürgerliche Politiker aus der Stadt im Zweifelsfall lieber gegen die Interessen der Stadt als mit rot-grün.

 

Erfreulicherweise sind in letzter Zeit einige Initiativen entstanden, welche diese alten und unfruchtbaren Gräben überwinden wollen. Auch das Land hat einige wichtige, teilweise weit in die Vergangenheit reichenden Erfahrungen beizutragen, welche auch heute neue Bedeutung erlangen können. Ein Beispiel: Grindelwald etwa hat es zumindest anteilmässig zum Nobelpreis in Wirtschaft gebracht: Die Amerikanerin Elinor Ostrom hat 2009 den Nobelpreis für Wirtschaft für ihre Arbeiten über Gemeinschaftsgüter erhalten. Sie hat unter anderem die Grindelwaldner Alpgenossenschaft studiert – diese sind mir besonders nahe, da meine Grindelwaldner Cousine ebenfalls in diese Alpkorporation eingebunden ist und ich eindrückliche Tage auf der Alp verbracht habe. Seit dem Jahre 1404 werden die sieben Bergschaftsgebiete Scheidegg, Grindel, Wärgistal, Itramen, Bach, Bussalp und Holzmatten nach den gleichen Regeln bewirtschaftet. Dabei hat Ostrom gezeigt, dass genossenschaftliche Regelungen möglich sind, ohne dass der Staat eingreifen müsste oder dass der Einzelne wie in einer ungezügelten Marktwirtschaft zu viel abzockt. Diese Regelungen funktionieren aber nicht einfach so, sondern mit nur Engagement, mit Kommunikation und mit der Einhaltung von ungeschriebenen Regeln - Elemente, auf welche eine gute und funktionierende Gesellschaft auch heute angewiesen ist.

 

Zum weiter lesen:

„Mir heis ja so guet hie“, Benedikt Loderer, Heft Gisela Vollmer anlässlich der Delegiertenversammlung der SP Stadt Bern vom 24.Januar 2011

„Alpglück. Ein Senn redet sich heiser über das Leben in den Bergen und die Liebe zu seiner Kuh Astrid“, Susanna Schwager in Reportagen Nr. 4/Mai 2012

„Grindelwald ist nobelpreisverdächtig“. Bund 5.11.2009

„Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Markt und Staat“, Elinor Ostrom, Tübingen 1999.