Projektwoche "Schulen nach Bern" 18. Mai 2015
Begrüssung vom 18. Mai 2015
Thomas Göttin, Vize-Stadtratspräsident des Stadtparlaments Bern
Werte Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Neftenbach, Sedrun, Balerna, Heerbrugg und Nidau, ich heisse Sie herzlich willkommen in der Stadt Bern.
Gentili Consigliere nazionali e Consiglieri nazionali. È per me un grande piacere augurarvi un cordiale benvenuto a Berna.
Werte Gäste
Sie sind hier, um die Hauptstadt kennenzulernen, die Mechanismen der Politik zu erforschen und selber auszuprobieren. Das freut mich sehr, denn ich mache selber mit Leidenschaft Politik. Ich bin Vizepräsident des Parlaments der Stadt Bern. 80 Parlamentarier treffen sich jeden zweiten Donnerstagabend von fünf bis halb elf im Berner Rathaus zur Sitzung.
Was braucht es für die Politik: Zuerst einmal ein eigenes Urteil und eine persönliche Meinung. Ich meine: Traut eurem eigenen Urteil, traut eurer eigenen Meinung. Es gibt keine andere Instanz in der Politik. Mit unserem Urteil gestalten wir die Politik - so oder so. Auch wenn wir uns nicht dafür interessieren, wenn wir kein Urteil abgeben, gestalten wir sie mit, indem wir die Gestaltung den andern überlassen. Bei Abstimmungen gehen zwanzig Prozent weniger Junge als Ältere an die Urne. Sichtbar war das Resultat bei der Masseneinwanderungsinitiative vor einem Jahr: Die Jungen haben den Alten die Entscheidung überlassen.
Ebenso wichtig ist Respekt: Respekt für den politischen Gegner, seine Person und seine Meinung ist Voraussetzung für die eigene Glaubwürdigkeit. Und Glaubwürdigkeit ist das Fundament für die eigenen Argumente.
In der Politik braucht es aber auch Mehrheiten - und dafür die Fähigkeit zum Kompromiss. Und manchmal reicht selbst die Bereitschaft zum Kompromiss nicht. Es braucht Geduld und Ausdauer, bis auch die andern - wir Älteren - neue Ideen begreifen.
Im Unterschied zu Computerspielen, wo man fast immer das next level erreicht, gibt es in der Politik keine Erfolgsgarantie. Das hat sein Gutes: nicht jede neue Idee ist so gut, wie ihre Urheber in der ersten Begeisterung meinen. Es hat aber auch Nachteile: Junge erleben die Politik als Veranstaltung der Älteren. Deshalb sollten wir vielleicht eine neue Form des Parlaments einführen, das die Aufgabe hat, Zukunftsfragen anzupacken, ein „Collège du futur“, wie es Dominique Bourg von der Universität Lausanne vorgeschlagen hat. Und es braucht politische Bildung - ihr werdet sie diese Woche geniessen. Fordert das auch von euren Schulen, in der Gemeinde. Und wenn es heisst: kein Geld, dann fordert trotzdem, dass bei der Bildung nicht gespart wird.
Vor allem aber: Politik macht man mit dem Herzen. Interesse ist wichtig, aber entscheidend ist die Neugier für das, was die Menschen bewegt, die Leidenschaft, manchmal gar Empörung. Man möchte die Dinge ändern, die einem ungerecht erscheinen.
Oft bin ich selber gescheitert mit Ideen, seit ich in eurem Alter begonnen habe, mich politisch für meine Ideale einzusetzen. Das ist nicht schlimm, im Gegenteil: Wenn man es versucht hat, so ist man später stolz darauf, und man hat nichts in sich hineingefressen, das ist gut gegen Magengeschwüre. Aber noch wichtiger: ich habe immer wieder gestaunt, wie viele andere, engagierte, interessante Menschen ich getroffen habe, die dasselbe Ziel haben. Man ist nicht allein. Das ist wunderbar.
La politica si fa con il cuore. Ciò che è veramente importante e la passione e anche certe volte l’indignazione. “Indignatevi” disse nel suo pamphlet il diplomatico francese e ex partigiano, Stéphane Hessel a l’età di ottante tre anni (che e morto qualche mese fa), pensando alla sua vita politica. Le mie prime esperienze politiche le ho fatte a Basilea con i nostri vicini, che sono i francesi dell’Alsace ed i tedeschi della regione Schwarzwald. Tre lingue, tre dogane, certo, ma le manifestazioni, l’obiettiva comune creavano un sentimento d’affinità, c’era molto bello.
Es gibt unterschiedliche politische Traditionen auch in der Schweiz – im Tessin, im Graubünden, aber auch zwischen St. Gallen und Bern. Der bekannteste Unterschied ist der Röschtigraben, auch wenn heute alle Nationalrätinnen und Nationalräte auf der gleichen Seite des Röschtigrabens wohnen. Aber ich glaube nicht, dass diese Gräben einen grossen Unterschied machen in der Politik: Politik setzt sich überall zusammen aus einem eigenen Urteil, dem Respekt gegenüber den andern, und der Leidenschaft. Da unterscheide ich mich als Basler in Bern nicht von der Familie meiner Partnerin im Engadin.
In der Musik, um ein anderes Beispiel als die Politik zu nehmen, sind die Unterschiede einfach Vielfalt: Sebalter, Corina Curschellas, Bastian Baker, Stephan Eicher, ihre Musik versteht man überall. Und Musik setzt Respekt und Zuhören voraus, sonst klappt das nie mit eigenen Band.
Auch der Stadtrat von Bern macht Musik, Fraktionszwang heisst unsere Band, und wir spielen quer durch alle Parteien zusammen eigene und gecoverte Rockstücke. Wenn ihr diese Woche am Mikrofon im Parlamentssaal eure Debatten austrägt, dann hört euch vielleicht ein Stück an, es handelt von eben dem Mikrofon im Parlament, und was es alles erdulden muss, wenn die Parlamentarier ins Mikrofon rein schwatzen.
Ich wünsche euch im Namen des Berner Stadtparlaments eine aufregende und lernreiche Polit-Woche und hoffe, dass ihr euch in Bern in jeder Beziehung wohl fühlt.
Dunque niente imbarazzo, cogliete l’occasione di discutere, e venuta la sera, scoprite tutti assieme la città di Berna, i suoi caffè, la sua vita culturale, la sua vita notturna. A nome del Parlamento di Berna, vi auguro una buona settimana a Berna e vi invito a scoprire non solo il Palazzo federale e la vita politica, ma anche la città con la sua cultura e le sue offerte di divertimento, gli spazi verdi e la gente che ci vive e ci lavora. Buon divertimento!
Thomas Göttin