Wer sind wir? Vertrauen und Erinnerung
Das ist unsere erste richtige Finissage im Polit-Forum Bern. Ich freue mich deshalb, dass wir eine sehr gelungene Ausstellung und Veranstatungsreihe abschliessen dürfen. Ich freue mich auch über viele Gesichter, die mir in den letzten Wochen seit der Eröffnung am 13. August begegent sind. Das ist erst sechs Wochen her, aber es kommt mir länger und reichhaltiger vor. Mehrere hundert Besucher haben in dieser kurzen Zeit von sechs Wochen die Austellung gesehen und die Veranstaltungen besucht. Dazu kommen mehrere Hundert Aufrufe der Videos von den Veranstaltungen auf youtoube, es kommen die Führungen, Medienberichte und Portraits der Fotografin Carmela Odoni dazu.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Bemerkungen machen. Ich habe den Eindruck, dass es vor allem die Begegnungen sind, die besonders wertvoll sind und die diese Ausstellung von andern unterscheidet. Es sind Leute aus vielen Teilen der Schweiz angereist, bis von St. Gallen. Leute mit ähnlichen Erfahrungen und Hintergrund haben sich hier in einem passenden Rahmen austauschen können. Das kommt im Gästebuch zum Ausdruck. Da heisst es zum Beispiel: « Die Ausstellung im Käfigturm war eine wunderbare Umgebung, um mit unserer Tochter aus Bolivien zu diskutieren».
Viele Leute sagen auch, sie seien berührt: «Die Ausstellung ist sehr berührend und auch sehr differenziert, herzlichen Dank. Mutter von drei Adoptivkindern» oder: «wunderschöne Bilder, Geschichten die zu Herzen gehen». Sich berühren lassen, das ist eine schöne Aussage: sie zeugt von Offenheit und von der Möglichkeit, dass Menschen einander verstehen, anerkennen – und vertrauen – auch wenn sie nicht identische Erfahrungen machen und nicht dieselbe Identität haben. Auf die Frage «Wer bin ich» gibt es am Schluss vielleicht mehrere Antworten, und sicher ist die Antwort auf die Frage «Wer sind wir» als Gesellschaft nicht Identität, sondern Anerkennung der Unterschiede und Vertrauen.
Und die zweite Bemerkung: bei den Veranstaltungen hat sich gezeigt, wie wichtig die gesellschaftliche Anerkennung ist. Ein Anfang ist gemacht, aber grosse Schritte sind noch zu tun. Das betrifft die Sensibilität der Behörden im Umgang mit Betroffenen. Ich erinnere mich an die grosse Bereitschaft der Staatsarchivarin des Kantons Bern bei der Aktensuche zu helfen, andererseits an eine Situation zur Hekunftssuche, wo plötzlich vor allem von Gebühren die Rede war. Auch die Sicherung von Akten, vor allem von privaten Akten aus Dutzenden von Heimen ist ein ungelöstes Problem das mir so voher nicht bewusst war. Wenn nämlich ein Element einer Gesellschaft das Vertrauen ist, dann ist ein anderes die Erinnerung. Diese benötigt die Auseinandersetzung mit der Geschichte –zur Geschichte der Zwangsmassnahmen ist noch vieles aufzuarbeiten. Dazu braucht es aber Quellen, mündliche und schriftliche.
Der Abschluss gehört nochmals zwei Zitaten aus dem Gästebuch: «Wow, ein tief berührendes Werk, ihnen allen eine Stimme gegeben». Dieser Eintrag war von gestern oder heute – und ganz zum Schluss einer für morgen, Ferienbeginn in Bern: «Ich habe auf den Bildern meine Freundinnen gesehen (Sinat und Medan), bald gehen wir mit ihnen in die Ferien.» Allen Beteiligten: merci!