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Art. 5 SR vom 20.10.2005

Kundgebungsreglement KgR (SSSB 143.1)

Werte Anwesende

Der Art. 5 ist ein erratischer Brocken. Wenn man die Medienbericht vor allem in der ersten Phase von der Reglements-Diskussion liest, hat man den Eindruck, es gäbe überhaupt nur diesen Artikel. Ich hoffe, heute können wir mit kühlerem Kopf diskutieren. Der Artikel 5 hat nichts mit dem Bewilligungsverfahren oder der Organisation einer Kundgebung zu tun, sondern richtet sich als einziger an alle TeilnehmerInnen einer Kundgebung. Sie sind verpflichtet, sich unverzüglich von einer Demo zu entfernen, wenn sie aufgelöst wird. Wer das nicht sofort macht, macht sich strafbar (Art. 8). Das ist als Bestimmung so neu und einzigartig.

Der Artikel ist von Anfang an umstritten gewesen. Er stammt ja nicht von der jetzigen Polizeidirektorin, sondern vom vorletzten Polizeidirektor und aus dieser Zeit, wo später durch den PUK-Bericht aufgeschafft worden ist.

Im Mitberichtsverfahren haben sich seinerzeit alle drei Direktionen, wo sich beteiligt haben, dagegen ausgesprochen. Ebenso hat die Stadtkanzlei Vorbehalte gemacht.

Grundsätzlich einmal gibt es rechtliche Bedenken. So schreibt die Stadtkanzlei: "Die Formulierung setzt voraus, dass über die Frage der Auflösbarkeit von Kundgebungen Klarheit besteht. Der Vortrag enthält dazu zwar eine Begründung, diese wird für die Rechtsanwendung jedoch nicht transparent." Weiter ist es möglicherweise ein Präzisierung und Verschärfung vom Artikel 292 vom eidgenössischen Strafgesetzbuch (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen), weil da genau geregelt ist, wie man bei einer solchen Verfügung vorgehen muss. Man kann argumentieren, dass dies eben gerade mit dem Artikel 5 unterlaufen wird und darum rechtlich nicht verhebt. Ein weiteres juristisches Problem ist die Frage, wer überhaupt Teilnehmer ist. Im Brunner-Urteil heisst es dazu: " Die Statuierung der Strafbarkeit der blossen Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung würde überdies wegen des Begriffs "Teilnehmer" zu unwägbaren Vollzugs- und Auslegungsproblemen führen". Es geht um die Abgrenzung von Gaffern, Schaulustigen, Unbeteiligten, Helfer, oder sogar Adressaten einer Kundgebung.

Denn stellen sich auch praktische Fragen: Gerade bei grösseren Demos kann man sich nicht so einfach unverzüglich entfernen. Es könnte eine Massenpanik entstehen. Und wer wäre dafür verantwortlich? In der Kommission hat die Polizei gesagt, dass der Artikel ohnehin nur bei kleineren Kundgebungen zur Anwendung kommt: Wo ist die Grenze? Wie steht es mit der Rechtsgleichheit? Was passiert in einem Fussballstadion, in engen Gassen?

Unter Umständen ist der Artikel gar kontraproduktiv: Das Hauptziel sind schliesslich Kundgebungen, die korrekt ablaufen. Aber auch die Leute vom Organisationsdienst und die Kontaktleute zur Polizei müssten sich ja unverzüglich entfernen – die Polizei vergibt sich selber die Chance, den Kontakt aufrecht zu erhalten.

Schliesslich, das ist in der Stadtratsdebatte gekommen, handelt es sich da um den einzigen spezifischen operativen Artikel. Das ist systemwidrig, wenn schon müsste man eine ganze Reihe weiterer operativer Fragen ins Reglement aufnehmen.

Die Kommission empfiehlt dem Stadtrat, dass man diesen Artikel streicht. Im Mai 04 mit 5:4 Stimmen, im April 05 ist der Beschluss mit 7:3 Stimmen bestätigt worden. Nachdem der Artikel vorher immer hitzig diskutiert worden ist, hat sich die Diskussion das letzte Mal auf das absolute Minimum beschränkt. Ich hoffe, dass sich hier auch ein gewisses Umdenken spiegelt.