"Auso"
Am 10. September 2012 verabschiedeten die Delegierten der städtischen SP die langjährige Parteisekretärin Leyla Gül, welche zusammen mit der Co-Präsidentin der SP Stadt Bern, Flavia Wasserfallen, das Generalsekretariat der SP Schweiz übernimmt. Es war mir eine grosse Freude, Leyla's Arbeit kurz zu würdigen.
Liebe Leyla
„Auso“ ist einer deiner Ausdrücke, wenn wir nach einer intensiven Diskussion etwas entschieden haben. „Auso“ von dir heisst, „dann mach ich mich jetzt an die Arbeit“, und das machst du auch: zuverlässig und diszipliniert wie ganz, ganz wenige in der Politik. Und selbständig: Bei all den Projekten, Planungen, Stellungnahmen hast du die Termine und Abläufe immer im Griff, wir wären mehr als einmal verloren gewesen ohne dich. „Auso“ bedeutet aber auch, dass du dich – engagiert, mit Herzblut, aber nie verbissen - nicht mehr so leicht davon abbringen lässt von dem Weg, den wir eingeschlagen haben, zu zweit, im Präsidium oder in der Parteileitung.
„Auso“. Du hast dich entschieden, die Stadtebene zu verlassen und die Politarbeit auf nationaler Ebene fortzusetzen. Du wirst dich nicht abbringen lassen und du wirst dich, zusammen mit Flavia, mit allen was dich auszeichnet an die Arbeit machen. Ich kann der SP Schweiz nur gratulieren und vielleicht noch sagen: unterschätzt mir Leyla Gül nicht, wenn sie „auso“ sagt.
Vor Jahren haben wir uns im Gewerkschaftsarchiv des SMUV das erste Mal getroffen. Du hast, bescheiden, aber hellwach, eine Seminararbeit geschrieben. Später hast du in der Geschichte der Gewerkschaft SMUV den Teil über die Frauen beigesteuert. Wenn man etwas über die Schweiz der letzten vierzig Jahre erfahren möchte, ist das Buch „keinen Schritt umsonst getan“ zwar unbekannt, aber umso spannender.
Aus diesem Buch und dem Archiv des SMUV habe ich für dich eine Fotografie der Fotografin Monique Jacquot mitgebracht, ein Arbeitsbild aus der ABB in Birr, Kanton Aargau.
Im Januar 2005 bist du als Nachfolgerin von Willi Zahnd mit einem kleinen Pensum als Parteisekretärin gewählt worden. Als ich 2007 das Co-Präsidium übernommen habe, ist dann grad noch ein gerütteltes Mass Mehrarbeit dazu gekommen – Sozialhilfe, Weltwoche etc – und gemeinsam haben wir uns bei der SP Kanton hartnäckig, und zum Glück erfolgreich für mehr Stellenprozente und eine Stellvertretung eingesetzt. Und gemeinsam haben wir die letzen fast 6 Jahre politisiert, von der Phase der Verunsicherung über das Projekt positive Kernbotschaften bis zu den stillen, angesichts der politischen Grosswetterlage nicht so sichtbaren, aber erst recht wertvollen Wahlgewinnen in den letzten drei Wahlen.
Wir haben immer wieder über Kommunikation diskutiert, angesichts der Situation bei den lokalen Medien. Wir haben mehr Medienmitteilungen und newsletter geschrieben alle andern Parteien, weniger mit dem Ziel in die Medien zu kommen als direkt zu den Mitgliedern und Interessierten. Du hast einmal in einer Parteileitung das „Kommunikationskonzept“ zusammengefasst mit den Worten: „Redä, redä, redä“. Und weil du eine Macherin bist, ist das von dir besonders glaubwürdig gewesen und in der Parteileitung zum geflügelten Wort geworden.
Du hast aber noch einen anderen, typischen Ausspruch: „He weisch was“. Das ist deine Einleitung für eine neue Idee. Mit deinen Wurzeln in der Frauen-, Migrations- und Arbeitergeschichte hast du ein weites Sensorium für wichtige, neue, kommende Fragen. Nur ein paar Stichworte:
Die Zusammenarbeit mit der SP Kanton oder das Engagement für die Secondos/as. Ein wichtiger Schritt für das Bewusstsein in der Geschäftsleitung ist der Austausch über die Mitgliederentwicklung gewesen, und es freut mich besonders für Leyla, dass die Mitgliederzahlen steigen.
Du hast aber auch als Vizefraktions-Chefin zusammen mit Annette Lehmann in der Fraktion eine tragende und verlässliche Rolle gespielt. Du hast dich mit den schwierigen, nicht überall beliebten Themen befasst, Polizei, Grundrechte, Videoreglement, Finanzen zum Beispiel.
Du hast dich mit einem Vorstoss bei der Energievision engagiert, worüber wir gerade an der letzten Delegiertenversammlung diskutiert. Auch ein Vorstoss von dir forderte weniger Stadtratssitzungen. Das war genau so ein „hei weisch was“-Vorstoss, bei dem ich zuerst nur gedacht habe, was soll jetzt das, und erst später realisiert habe, dass da eine neue Generation zu Recht Dinge anders sieht und neu aufgleist.
Liebe Leyla, im Namen vom Präsidium, Partei- und Geschäftsleitung, den Delegierten und allen Mitgliedern danke ich dir für dein Engagement und deine tolle Arbeit. Wir wünschen dir alles Gute bei der SP Schweiz. Wir sind auch stolz, dass mit dir die Erfahrungen, die Art des Politisierens, wie wir das in der SP der Stadt Bern machen, auf die nationale Ebene mit einfliessen. Ich werden uns weiterhin sehen, und auch wenn du jetzt keinen Pflanzblätz mehr hast, bleibt dir hoffentlich Zeit für die Natur und deine Familie. Deine Lizarbeit hat übrigens den Titel gehabt „Soziale Sicherheit ohne gesicherte Umweltpolitik ist eine Pflanze ohne Erde“ – wir wissen beide, ebenso ist Umweltpolitik ohne soziale Sicherheit eine Pflanze ohne Erde. Wir wünschen die alles Gute beim Ackern auf nationaler Ebene.