Das Ende der Chicago Boys
An der Medienkonferenz der SP Stadt Bern vom 14. Oktober zu den Wahlen ging es natürlich auch um die Finanzkrise. Ein paar persönliche Bemerkungen, da mich Wirtschafts- und Finanzpolitik seit jeher beschäftigten, sowie ein paar Überlegungen zu den Folgen für die Stadt.
Ich lebte in den Zeiten von Reagan, Thachter und dem "Big Bang" der Liberalisierung anfang der 80er Jahre in London und hatte das Glück, an der London School of Economics studieren zu können. Ich sah die Ankunft all dieser jungen, stramm neoliberalen Chicago Boys, voll Glaube an den Markt alleine. Seither habe ich mich mit Wirtschaftspolitik und -Geschichte beschäftigt, mit den Crashs von 1929 und 1987. Nicht dass es irgendwann runter geht, hat mich nicht überrascht, aber wie!
Es ist das Ende des grenzenlosen Glaubens an den Markt und hoffentlich das Ende der kurzfristigen Sichtweise. Selbst die NZZ erwähnt die Namen von Keynes und Roosevelt wieder positiv, das habe ich jahrelang nicht mehr gelesen. Und der Bush-Kritiker Paul Krugman erhält den Nobelpreis für Ökonomie. In der Schweiz fehlen uns leider solche Ökonomen oder Ökonominnen. Wir haben eine neoliberale Monokultur an den Universitäten und die schweizerische FDP war die neoliberalen Vorreiter in ganz Europa – mit Otto Fischer Mitte der 70er Jahre noch vor Reagan und Thachter.
Wir werden hoffentlich realisieren, wie wichtig der Staat ist und welche Bedeutung die zuverlässige Erfüllung staatlicher Aufgaben hat. Dazu braucht es aber genügend Finanzen und motivierte MitarbeiterInnen. Zudem müssen wir mehr denn je zu den rechtsstaatlichen und demokratischen Grundlagen Sorge tragen.
In der Stadt Bern haben wir zum Glück nach härtestem Widerstand von SVP und FDP das Budget 2009 durchgebracht ohne Kürzungen um zwei bis dreistellige Millionenbeträge. Es wäre fast unvorstellbar, wenn die Stadt heute mit der Entlassung von zahlreichen MitarbeiterInnen beschäftigt wäre; oder mit der Abschaffung des Wirtschaftsamtes, wie die FDP das wollte. Hier hat die SP Standhaftigkeit und Weitsicht bewiesen. Das braucht es auch in der kommenden Legislatur!
Was sind die Auswirkungen auf die Stadt? Genau wissen wir es nicht, und so fordern wir auch nicht unbedachte dramatische Sofort-Massnahmen-Aktionen.
Sicher aber braucht es vernetzte Aktivitäten auf allen Ebenen für Wiederherstellung von Vertrauen und für Abfederung von sozialen Problemen. Geld alleine reicht nicht, wenn die Kühe nicht saufen wollen. Auf Stadtebene wird SP weiterhin für soziale Sicherheit und Vertrauen kämpfen, das heisst gegen Abbau der sozialen Institutionen, für Sicherheit von Familien, Arbeitsplätze Stadt und Betriebe – gegen FDP und SVP, die sich bewusst sein müssen, dass sie mit ihrer Politik mit dem Feuer spielen, wenn sie weiterhin verantwortungslos den Sozialstaat abbauen und die Sozialgelder kürzen oder ganz streichen.
Es braucht Investitionen des Staates – auf allen Ebenen (kleine Klammer: Wo sind auf städtischer Ebene die bürgerlichen WirtschaftspolitikerInnen?). Es wird sicher auch eine neue Einschätzung der staatlichen Schulden, von Defiziten und dem Sinn und Unsinn von automatischen Schuldenbremsen geben.
Das sagt auch der Ökonom Nicolas Stern (zu lesen in der BZ): Es braucht Jahre und ein solides Wachstum, um aus der Krise herauswachsen zu können. Treiber könnte Umweltindustrie sein. Wichtig wären Investitionen in low carbon economy. So folgt übrigens ja auch die Unterschätzung des Klimawandels der gleichen Logik wie die Finanzindustrie, nämlich der Kurzfristigkeit und der Unterschätzung der langfristigen Risiken.
Konkret fordert die SP Investitionen in Wohnungsbau: Sie will 2000 neue Wohnungen, das können private, aber auch städtische Aktivitäten sein. Insbesondere ist aber ein Comeback des genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbaus eines der zentralen Anliegen der SP für nächste Legislatur. Die SP fordert zudem Sanierungsprogramm für Altbauten. Da hat es riesiges Potential, der kleinste Teil der Altbauten wird bisher auf Minergie-Standard saniert. Es ist eine der effizientesten Methoden des ökologischen Umbaus und kann sofort erfolgen. Schliesslich ist zu prüfen, welche geplanten Investitionen vorgezogen werden können. Sollte es auf nationaler Ebne einen Investitionsbonus geben, wie ihn die SP fordert, dass muss die Stadt bereit sein.