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Finanzpolitik II: Es ist nicht was nicht sein darf

Kürzlich schrieb ich zur Finanzpolitik, wie es auch Konservativen langsam dämmert, dass der Neoliberalismus vor allem die soziale Ungleichheit verstärkt. Weitere Stimmen sind dazu gekommen, und die NZZ wettert gegen den Abfall vom rechten Glauben.

Jeffrey Sachs schrieb letzte Woche im Bund: „Die Politik des Wachstums um jeden Preis hat zu massiven Ungleichheiten in Sachen Reichtum und Macht geführt. Die Folge: eine enorme Unterschicht, Millionen von Kindern in der Armutsfalle und ernsthafte Umweltschäden“. Und: „Die politische Förderung von Unternehmensprofiten bedroht die kapitalistische Welt selbst.“ Jeffrey Sachs ist nicht irgendwer, sondern der hybride Priester der neoliberalen Ökonomen. Er hat 1985 Bolivien als Berater eine brutale Schocktherapie verordnet, inklusive Notstand und zweimaliger Verhaftungswelle der Gewerkschaftsspitze im ganzen Land. Er hat der Gewerkschaft Solidarnosc in Polen den „Sachs-Plan“ verkauft: Privatisierung von Bergbau, Werften und Industrie, Streichen von Preiskontrollen und Subventionen, dafür Vermittlung von IWF-Krediten. Folge: 1989 waren 15% der Polen unter der Armutsschwelle, 2006 sind es 59%. Für Solidarnosc war der Plan übrigens das Ende: in nur drei Jahren gab es gegen Solidarnosc tausende von Streiks und am Schluss eine verheerende Wahlniederlage mit nur noch 5 % Wähleranteil. Beim Zusammenbruch der russischen Gesellschaft nach dem Jelzin-Putsch gegen das Parlament und dem Ausverkauf der Industrie an die Oligarchen kam der Moment, wo sich Sachs von der neoliberalen Theorie abzuwenden begann und zu einem der Kritiker wurde – und zu seiner eigenen Rolle lässt er später durchblicken, das hätte er alles nie gewollt.

Monika Bütler ist eine Schweizer Oekonomin, die seit Jahren alles inklusive Bildung, Kinderbetreuung und Soziales unter das Primat der Marktwirtschaft stellt. Auch sie schreibt letzte Woche: „Eigentlich müsste heute mindestens ein Teil der Steuersenkungen rückgängig gemacht werden.“ Aber: „Lieber werden der Polizei und den Spitälern die dringend notwendigen Stellen vorenthalten und die Infrastruktur vernachlässigt, als Steuern angehoben. Doch solche Sparübungen bringen gesamtwirtschaftlich wenig. Aber sie treffen die weniger Verdienenden und gefährden den Zusammenhalt der Bevölkerung, letztlich die Grundlage einer erfolgreichen Wirtschaft.“

Das alles rief die NZZ am Sonntag auf den Plan: Krise sei, wenn die Rechten glauben, die Linken hätten recht, schrieb der Chefredaktor in einem Leitartikel. Man stelle sich vor: ehemalige Reagan- und Bush-Fans, Thachter-Biografen, FAZ-Leitartikler, Marktwirtschaftlerinnen und Starökonomen dämmert reihum, dass die neoliberale Spar- und Steuersenkungswirtschaft vielleicht doch nicht ganz das wahre ist. In dieser Situation sieht die NZZ – wie der Papst, wenn er das Zölibt verteidigt - das einzige Problem darin, dass Rechte vom rechten Glauben abfallen.

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