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Glaube an die Zukunft statt Angst vor ihr

| Umwelt

Die Delegiertenversammlung der SP Stadt Bern vom 11. April 2011 entschied sich nach engagierter Diskussion für ein Ja zur Planung Holligen. In der Einleitung beschäftigte ich mich aus aktuellem Anlass mit dem Zusammenhang von Umwelt- und Sozialpolitik.

Liebe Genossinnen und Genossen

„Ein Einschnitt für die ganze Welt“ so hat Angela Merkel – Physikerin - die AKW-Katastrophe in Japan bezeichnet. Wir alle betroffen, jede/r auch durch seine persönliche Geschichte mit der Atomkraft. Es besteht nun die Chance, aus dieser Technologie auszusteigen, aber es ist ein langer, harter Weg mit vielen verführerischen Abzweigungen, vermeintlichen Abkürzungen und Sackgassen. Drei Dinge möchte ich uns auf den Weg geben:

1.   Energieeffizienz und Energiesparen müssen allererste Priorität haben: es gibt keine negativen Folgen bei steigenden Energiekosten, gibt keine negativen Folgen für die Umwelt und das Klima, und macht uns unabhängiger von Stromverbrauch. Das Potential ist gross: 3x Mühleberg, hat ein BFE-Experte im Kassensturz vorgerechnet. Aber bei Effizienz streitet man weniger um die grossen Themen, es ist eine Summe von vielen kleineren Massnahmen. Darum geht die Effizienz als Element des Ausstiegs unter der Diskussion um neue Wind- und Wasserkraft schnell unter. 

2.   Erneuerbare Energien braucht es dezentral und überall, es braucht auch Grosskraftwerke, und die sollen dort stehen, wo es am meisten bringt, für Sonne im Süden, für Wind in der Nordsee. Das heisst für die Schweiz: wir werden nicht unabhängiger sein – sind wir bei AKW ja auch nicht – und wir brauchen intelligente und leistungsfähige Leitungen. Leider sind wir bei den erneuerbaren Energien gegenüber Deutschland und Oesterreich um Jahre zurück – und zahlen nun für die Photovoltaik-Anlagen, die wir bisher nicht installiert haben, einen hohen Preis.

3.   Der Ausstieg ist machbar. Der Kanton Baselstadt verfolgt seit 30 Jahren gesetzlich den Ausstieg, und hat mit bürgerlichen Mehrheiten einen grossen Teil der nötigen gesetzlichen Anpassungen bereits gemacht: 1978 Atomschutzgesetz, 1983 Energiegesetz mit Strompreiszuschlag, damit hat allein Basel seither 220 Millionen für Effizenzmassnahmen und erneuerbare Energien eingesetzt, 1999 und 2009 Ausbau Energiegesetz u.a. mit Lenkungsabgaben. Was das bürgerliche Basel kann, können wir in Bern auch.

 

Doch SP- Politik ist mehr als grün und Anti-AKW. 

Viele reden vom Atomausstieg. Wenige vom sozialen Klimawandel. Der liberale Soziologe Ralf Dahrendorf beschreibt eine globale Klasse. Sie sorgen sich um die Umwelt, leben im Grünen. Aber sie brauchen den Staat nicht, höchstens die Polizei oder die Feuerwehr. Sie brauchen die Gesellschaft nicht (there is no such thing as society, sagte Margret Thatcher wörtlich). Sie sind nicht arbeitslos, müssen nicht auf die Sozialbehörde, die Kinder können auf eine Privatschule, die AHV bedeutet ihnen auch nichts. Es geht nicht um einen Gegensatz Privat –Staat, es muss auch nicht der Staat sei, vieles können Genossenschaften, BügerInnen-Gruppen – aber es braucht eine verbindliche, verlässliche Form des sozialen Ausgleichs, und der Staat stellt in vielen Fällen den verbindlichen Rahmen dar  - nur schon mit der Idee, alle sind vor dem Gesetz gleich. Ob jemand ein Recht hat oder auf goodwill angewiesen ist, das ist der Unterschied zwischen Selbstbewusstsein und Abhängigkeit.

Mit dem sozialen Ausgleich geht auch die Solidarität verloren. Es kommt Angst und Misstrauen. Im Tagi war letzte Woche ein eindrückliches Portrait des Kantons St. Gallen zu lesen. Der Kanton hat nach dem Schock über die Textilkrise 1929 weltweit die erste Schuldenbremse eingeführt. „Jede Regierung und jedes Parlament hat seither Angst vor der Zukunft“, schreibt der ehemalige NZZ-Korrespondent. Das Resultat: Nach Schuldenbremse  kamen jetzt Steuersenkungen, zwar ein Anstieg von 300 auf 450 Multimillionäre in St.Gallen, aber gleichzeitig ein Loch von 500 Millionen für den Kanton und 300 Millionen für die Gemeinden statt wie vor den Steuersenkungen ein Überschuss. Statt Steuern wieder zu erhöhen werden weiter Leistungen abgebaut – ein Teufelskreis der Angst und kein Voraussetzung für eine grüne Umweltpolitik. 

Diese Wahlen bringen einige Klärungen: Die GLP wird definitiv als bürgerliche Partei wahrgenommen, was sie auch ist. Das kennen wir aus dem Stadtrat. Ihr Einsatz für eine populistische Schuldenbremse selbst bei positivem Rechnungsabschluss: das kann nur noch mit bürgerlicher Ideologie begründet werden. In der Arena letzte Woche was das gut sichtbar: GLP, CVP; FDP, BDP sitzen am gleichen Tisch, fischen die WählerInnen im gleichen Kuchen. Bei grünen Themen heisst das nun die Mitte – wir wissen aber, wenn es um Finanzen, Sozialpolitik geht , gibt es nur zwei Pole, und da ist GLP genauso bürgerlich wie die andern Parteien. Offen gestanden dramatisch ist der Absturz der FDP, ich weiss nicht, wie die Partei bei uns in Bern je wieder aus dem Schatten der SVP herausfinden kann. 

Für die SP haben wir eine gute Basis für die kommenden Wahlen im Herbst gelegt. Die jüngsten Wahlen brachten Gewinne in Luzern, während in Zürich der WählerInnen-Anteil gehalten wurde. Demgegenüber standen leichte Verluste in Baselland und grössere im Tessin. SP-Erfolge wiederum gab es bei den Gemeindewahlen in Waadt, Genf und in Fribourg. 

Fortschritte in der Umwelt- und Sozialpolitik gehören für mich untrennbar zusammen. Sie verstärken einander und zahlen sich wirtschaftlich aus. Das ist auch ganz lokal und praktisch gemeint: Investitionen in eine gute Bildung - und nicht Abbau! - erschliessen den Jungen spannende Arbeitsbereiche in der Umwelttechnologie. Bessere und nicht tiefere Löhne lassen die Preise für ökologische Produkte oder Strom erschwinglich werden, was wiederum den Umbau beschleunigt. Und nicht Angst, sondern der Glaube an die Zukunft macht den Atomausstieg möglich.

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