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Haltung in der Politik

| Persönlich

46 Prozent der Berner Bevölkerung stimmte am 15. Mai 2011 für die Kita-Initiative, aber 51 Prozent für Betreuungsgutscheine. Der Auftakt für weitere, langwierige Auseinandersetzungen.

Das Resultat bei der Kitaabstimmung schmerzt. Auch die Tatsache, dass angesichts der Gegnerschaft von SVP bis GFL das Resultat mit 46 Prozent super war und weit über das bisherige Potential von SP und GB hinaus reicht, macht – vorerst – nicht wirklich froh.

Es ist nicht die einzige Niederlage in letzter Zeit: Der Stadtrat hat gegen den Widerstand der SP für eine Rentenalters-Erhöhung gestimmt, der Abschaffung der in den Quartieren verankerten Schulkommissionen zugestimmt. Die SP hat zusammen mit vielen andern dagegen gehalten, es gab Abstimmungen, Verhandlungen, Demos, halbe Siege. Die Niederlagen haben etwas Verbindendes: Man verliert gemeinsam, und man kämpft gemeinsam weiter. Es zeigt sich dann, wer auf der Seite der sozialen Verantwortung steht.

Wenn wir uns einsetzen, dürfen wir auch verlieren. Bei Koalitionen stellt sich auch die Frage des Engagements, nicht nur der Breite: Die Initiative für einen Autofreien Bahnhof haben wir trotz Unterstützung der GLP und GFL verloren, ebenso die Energieabstimmung im Kanton. Umgekehrt hat die Waadt eine Sozialabgabe für working poor angenommen und wurden in Zürich Steuersenkungen trotz Unterstützung der GLP abgelehnt.

Dies nämlich ist das eigentümliche an der unheiligen temporären Allianz von SVP bis grüne Mitte. Ihre Visionen sind seltsam blutleer, widersprüchlich, fragmentarisch. Die SVP bewirtschaftet die Angst vor der Zukunft, und immer stärker scheint dieses Gefühl auch die andern Parteien von FDP bis zur Mitte zu beschleichen: Es geht einher mit dem Festhalten an einem Weg, selbst wenn dieser offensichtlich nicht mehr funktioniert: Der Markt wird es richten, er löst nicht nur die dem wirtschaftlichen Wettbewerb zugänglich Aufgaben, sondern alle sozialen Probleme besser als alle andern gesellschaftlichen Systeme. Kita-Gutscheine, aber auch Fallpauschalen im Spitalwesen, sind lediglich ein „moderner“ Ausdruck dieser Losung. In Australien brachte 2003 der Ferrari-Fahrer Fast Eddy dank Gutschein-System den weltgrössten privaten Kita-Konzern mit über 1000 Kitas für 100‘000 Kinder an die Börse, wurde damit jüngster Multimillionär, dabei stiegen Kita-Kosten und sank die Qualität, bis der Staat eingreifen musste. „Extremliberalismus“ hat der ehemalige FDP-Präsident Franz Steinegger in einer luziden Analyse seiner eigenen FDP das kürzlich genannt. Dieser „hat 2008 zum Fiasko geführt und zum Scheitern des Kapitalismus. Er musste in fast allen Ländern vom Staat gerettet werden.“

Seither hat für mich das Festhalten an diesem Weg etwas fast unheimliches bekommen: Weil die Medizin den Zustand des Patienten verschlechtert, wird ihm eine immer höhere Dosis des gleichen Medikamentes verabreicht. Spanien soll trotz 43% Jugendarbeitslosigkeit noch mehr Sparen und noch mehr Sozialabbau verabreicht werden. Franz Steinegger erinnert daran, dass der Staat auch verantwortlich für den sozialen Ausgleich ist. Diese Einsicht gehe jedoch immer mehr verloren. „Mehr Freiheit, weniger Staat“ hiess die Losung des Freisinns 1979. „Ein toller Slogan, der uns fantastische Ergebnisse gebracht hat. Der Nachteil war: Danach war er in den Köpfen drin.“ So sei die Partei immer mehr zur Lobby-Organisation von Marktinteressen verkommen: „Wir haben mehr und mehr Leute ohne eine politische Haltung.“

Ich selbst kann mir eine Vision für die Zukunft ohne politische Haltung nicht vorstellen. Eben dies wird sich die SP dabei nicht nehmen lassen: Zuversicht und die Vision für eine bessere Zukunft. Das ist vielleicht zum politischen Gegner der Unterschied, der uns auch in einer Niederlage stärkt: wir stehen trotzdem ein für eine gerechtere, sozialere Zukunft.

Medienmitteilung der SP

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