Von der Arbeit und vom Jodeln
Für die SP-Wahlzeitung der Region sind alle NationalratskandidatInnen eingeladen worden, eine kurzen Text von maximal 720 Zeichen einzureichen: ein politisch prägendes Erlebnis oder eine Zusammenstellung "Was ich mag/Was ich nicht mag". Meine drei Varianten:
Variante 1 (713)
"Hesch Arbet?"
Die erste Frage meiner Grossmutter war immer: "Hesch Arbet?" Nie begrüsste sie mich mit "Wie geits?", wenn ich sie in ihrem kleinen Häuschen – zwei Zimmer, Küche, Holzofen – besuchte. Jahrelang diente sie in den 20er Jahren als Dienstmagd in reichen Berner Patrizierhäusern. Sie konnte sich kaum vorstellen, was ich in der fremden Welt der Universität gemacht habe. Nicht einmal einen seriösen Beruf mit sicherem Einkommen wie Arzt oder Anwalt habe ich gewählt. Auch mit Politik hatte sie nichts am Hut. Die oben machen ja doch was sie wollen. Wenn ich mich politisch engagiere, dann will ich, dass auch heute junge Menschen aus einfachen Verhältnissen die gleichen Chancen haben, wie ich sie hatte.
Variante 2 (718)
Jodlerabend
Ich liebe die Theaterabende des Jodelchors Sunneschyn in Milken: Die Jodellieder, Elsbeth in der Guggisbergertracht, die unanständigen Männerwitze der Präsidentin, und die gleichen Schauspieler, die jedes Jahr ein Theaterstück spielen. Ich liebe es, vorher in der Beiz zu politisieren. Wenn der Städter mal wieder da ist, geht’s rund: Wozu Luchse, Naturpärke – "noch eine Stange!" - und jetzt nehmen die in Bern oben uns noch die Statthalter. Der Unterschied zum Kulturabend der SP Bern Ost im Quartiertreff Punto ist nicht gross: Akkordeon und Hackbrett, Housi liest Alpengewittergedichte, statt einer Stange gibt’s Rotwein, Politik gibt’s auch. Nur keine Tombola. Aber da gewinne ich sowieso nie etwas.
Variante 3 (720)
Was ich mag/nicht mag
Was ich mag: Tango tanzen, genügend Kinderkrippen (und das Waldsofa unserer Kita), Solarzellen, Steuergerechtigkeit, Gelächter im Parlament, anständige Arbeit und gute Wohnungen für alle, eine grosse Demo vor dem Bundeshaus, Barcelona, die Balz der Birkhühner im Gantrisch, den Theaterabend des Jodelchors Sunneschyn in Milken, eine Böötlifahrt von Thun nach Bern, Gurtenfestival, Mobility, frische Kirschen.
Was ich nicht mag: Regen am 1. Mai, mit Plastik abgedeckte Gletscher, Einbahnstrassen für Velos, miese Löhne (und Manager, die hundertfach abkassieren), Grossmäuler und Plagööris, Sitzungen (die nicht zuende gehen), SMS, AKW und unverständliche Abkürzungen aller Art.