Wirtschaftskrise und Angriffe auf den Sozialstaat
An der ersten Delegiertenversammlung der SP Stadt Bern vom 25. Januar 2010 versuchte ich einen kleinen Ausblick auf die Themen des neuen Jahres. Zwar wenig erfreuliche Perspektiven, doch mit einer guten internen Diskussionskultur und mit Engagement viel politische Arbeit in Aussicht.
Liebe Genossinnen und Genossen
Ich begrüsse Euch herzlich zur ersten Delegiertenversammlung im neuen Jahr. Ich freue mich auf das Jahr politische Arbeit mit Euch. Die gemeinsame politische Arbeit fägt.
Allerdings wird’s auch dieses Jahr wieder heftig. Die Angriffe der Bürgerlichen werden weiter gehen. Ein Beispiel ist die Sicherheitsinitiative. Philippe Müller ist jedes Mittel Recht, das sieht man bei seinen jüngsten Auftritten und den FDP-Inseraten: es werden Emotionen geschürt und Einzelfälle ausgebreitet. Er zieht über die grosse Schanze her, bis sogar der Quartierleist reagiert. Selbst die rechtsbürgerliche Entente Bernoise sagt, Bern ist nicht Sodom und Gomorrah. Müller nimmt mündlich Leute ins Komitee auf, die sich dann wieder verabschieden wie der Tourismusdirektor – wir haben im Stadtrat diese unseriöse, perfide Art mehrmals erlebt. Uns steht von FDP/SVP ein Generalangriff auf die Sozialhilfe bevor, jetzt nicht nur zum Thema Missbrauch, sondern ganz generell mit Einschränkung der Rechte, mit Reduktion der Unterstützung und mehr Kontrolle für alle Bezüger.
Auch die Wirtschaftskrise nimmt kein Ende: wir müssen dieses Jahr eine Arbeitslosigkeit befürchten wie 1937 und 1997. Ende letztes Jahr hat mich eine kleine, fast unbemerkte Armutsdebatte aufgrund eines Vorstosses der SP im Stadtrat erschüttert. Die Bürgerlichen zeigten sich völlig unberührt von der Tatsache, dass viele Menschen für Löhne arbeiten müssen, die nicht zum Leben reichen und tun noch immer so, als sei nicht beinahe die Weltwirtschaft zusammen gebrochen. Ihre Argumente lauteten: Das Lohnsystem ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Der Staat solle keine Mindestlöhne festsetzen und nicht in die Wirtschaftsfreiheit eingreifen. Und gleichzeitig erhalten die Manager der UBS alleine in diesem Jahr wieder Boni in der Höhe von 4 Milliarden Franken. Lokalpolitiker weichen kein Jota von den neoliberalen Kernsätzen ab und wollen keine gesellschaftliche Verantwortung anerkennen. Dabei leben in der Schweiz im Jahre 2009 rund 900‘000 Arme, von denen 400'000 für eine hundertprozentige Stelle weniger als dreitausend Franken im Monat erhalten.
Das Jahr wird im Zeichen von Sozialabbau stehen – Stichworte sind die 2. Säule und die Arbeitslosenversicherung – und von staatlichen Defiziten. Die Arbeitnehmer, also wir, und der Staat, also auch wir, zahlen die Zeche für das grounding der Finanzindustrie, zahlen dafür, dass die Schweiz allein 4 Milliarden für die Swissair und 60 Milliarden für die UBS aufgeworfen hat. Und dabei hat die Schweiz über die Exportindustrie noch von den Tausenden von Milliarden profitiert, die andere Staaten zur Stützung der Wirtschaft ausgegeben haben.Wir sollten nicht nur von den Schulden reden, die den Staat zum sparen zwingen. Diejenigen welche übermässig kassieren, müssen stärker in der Steuerpflicht stehen. Da klopft z.b. sogar schon die USA in der Schweiz an und verlangt höhere Abgaben auf Boni. Wir müssen falsche Steuerabzüge bekämpfen und Synergien fördern: Es braucht Zusammenarbeit unter den Gemeinden sofort und wo immer möglich, das bringt mehr als einige behaupten.
Trotzdem – auch die Spardiskussion wird auf uns zukommen. Dabei müssen wir grösste Sorge zur Bildung geben – Chancengleichheit ist ganz wichtig, und die gibt es mit öffentlichen Regeln. Es gibt viele, die wollen möglichst alles privatisieren. Die Folge ist Ausgrenzung, tiefe Gräben zwischen Reich und Arm in den USA. Für das Recht auf einen Kita-Platz und für die Volksschule werden wir kämpfen müssen.
Ich habe am Anfang gesagt, ich freue mich auf das Jahr. Ich hoffe, wir können auch den offenen Stil, den ich seit einiger Zeit spüre, zusammen weiter pflegen.
Dazu gehört die Diskussion zwischen Delegierten – den Mitgliedern - und Parteileitung. An der DV sind es immer wir, welche Euch die Themen vorgeben, das möchten wir ein Stück weit umkehren: Ich möchte alle einladen, die Lust haben, mit der Parteileitung und andern Mitgliedern noch eine halbe Stunde hier im Saal im kleinen Kreis zu diskutieren: ihr sagt uns Eure Meinung, welche Themen wir aufgreifen sollen, an was wir sonst noch denken müssen. Das ist ein Versuch, wir machen das jetzt ein paar Mal und schauen, was rauskommt. Das wird mit in unsere Planung fliessen – wir berichten an der nächsten DV, was wir damit gemacht haben. Wir möchten auch noch aktueller und persönliche kommunizieren: die Mitglieder der Parteileitung planen einen Blog, in dem wir jede Woche uns zu aktuellen Fragen äussern. Die Themen werden uns auch dieses Jahr nicht ausgehen.