Reden über Redezeit
07.SR.000024 Vortrag AK: Teilrevision Geschäftsreglement (GRSR)
Werte Anwesende
Mit dem Geschäftsreglement beschäftigen wir uns mit uns selber. Das ist ein Symptom für ein Malaise von der Rats- und Kommissionskultur. Wir kennen es alle: Langfädige Erklärungen, immer wieder neue Wortmeldungen, Anträge nach der Kommissionsberatung, Anträge zu allem und jedem, Ausreizen vom Reglement bis zum letzten.
Ich habe in dem Rat und in den Kommissionen noch Zeiten erlebt, wo es zwar zwischendurch auch hoch zu und her ging, aber wo die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln doch von allen respektiert worden sind. Und auch heute ist es die grosse Mehrheit, wo die Debatten mit Respekt und Anstand führt, egal ob man am Schluss zur Mehr- oder Minderheit gehört.
Leider, sage ich darum, müssen wir heute über das Geschäftsreglement diskutieren. Aber ich will mir unsere typisch schweizerische, bernische Ratskultur nicht lassen kaputt machen. Nicht weil es zwingend die beste ist, aber die einzige, die wir haben. Was wir in jüngster Zeit erleben, ist nicht nur Filibusterei verstanden als ewiges Reden, was ja manchmal einen gewissen Unterhaltungswert haben kann, wir erinnern uns an die nächtliche Budgetdebatte. Sondern Obstruktion in Rat, Kommission und gegenüber der Verwaltung. Das geht von einzelnen aus, das muss man immer wieder betonen, aber es führt zu einem inszenierten Teufelskreis: Es sind Leute, die weder eine Abstimmungsniederlage noch einen Kompromiss akzeptieren, dann reklamieren sie, das sei Konfrontation der Gegenseite und legitimieren so die eigene Obstruktion. Wir haben aber kein so konfrontatives System, sondern eine lange Reihe von Checks und Balances, mit Stadtrat, Gemeinderat, Volksentscheiden, Regierungsstatthalter, Gerichten, Medien, kantonalem grossem Rat, Regierungsrat, und der eidgenössischen Ebene.
Das Bild von Wir gegen die Andern, wo alle Mittel erlaubt sind, weil es kein Zurück mehr gibt, das entspricht weder unserer Realität und passt es zu diesem Rat. Es geht bei der Aufhebung von drei Parkplätzen nicht um das letzte Hemmli. Es ist auch nicht so, dass zumindest in den mehr als zwölf Jahren, die ich hier drin überblicken kann, die Mehrheit immer monolithischer geworden wäre, ganz im Gegenteil. Es ist vielmehr die Sichtweise einer kleine Minderheit, die gemessen am realen Inhalt ihrer Vorschläge vielleicht zuviel Gewicht bekommt. Auf die Länge bleibt das aber eine gefährliche Entwicklung, weil sich die Vorstellung von dieser Konfrontation in den Köpfen festsetzen kann. Dann wird das zu einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllt und wo die Glaubwürdigkeit der Institution untergräbt – zum Schaden von uns allen, da bin ich sicher.
Diese Entwicklung kann man auch mit Reglementsänderungen nur beschränkt beeinflussen. Da muss man sich keine Illusionen machen, das Reglement befasst sich ja fast nur mit dem Rat, am Rande in den Kommissionen, und schon gar nicht mit dem, was auf die Verwaltung abgeladen wird. Die SP wird auf die Teilrevision eintreten. Vielleicht hilft es ein bisschen, zu wünschen wär’s. Es ist keine grosse Änderung, sicher kein Abbau von Rechten im Rat, das wäre auch das falsche Signal. Das meiste davon sind Regeln, die schon bisher ungeschrieben gegolten haben, aber wo sich eben ein paar nicht mehr daran halten mögen. Beispiel Länge der Voten oder Anzahl Anträge: ein ungerades Mal übertun ist ja nicht tragisch, aber systematisch wird es schwierig. Was zählt am Schluss ist, ob wir gemeinsam bereit sind, dass wir Regeln einhalten und dass wir mit Anstand diskutieren. Und das ist mehr eine Frage vom Stolz, vom Respekt gegenüber unseren eigenen, demokratischen Institutionen und damit unserer Gesellschaft. Nicht nur der Stadtrat, auch die Gesellschaft ist die einzige, die wir haben.
Unsere Haltung zu den einzelnen Anträgen werde ich nur kurz begründen. Zentral zu reden wird sicher der Artikel über die Redezeit geben, da wird in der Detailberatung die Redezeit sicher ausgeschöpft.
Zuerst zu unserm Antrag zu Artikel 31 Absatz 3:
Wir haben einen eigenen Antrag, dass nämlich der Sprecher oder die Sprecherin der Kommissionsmehrheit nicht auch Sprecher oder Sprecherin der Minderheit sein kann. In früheren Jahren hat es viel weniger Minderheitsanträge gegeben, weil man nach der Kommissionsarbeit im Rat nicht wieder von vorne angefangen hat. Und dazu ist es Ehrensache gewesen, dass man als Kommissionssprecher die Mehrheitsmeinung möglichst gut vertritt, auch wenn man persönlich anders denkt hat. Das wird heute von einigen nicht mehr so gemacht, darum der Antrag: Wir wollen nicht, dass der Kommissionssprecher faktisch zweimal die Minderheit kann vertreten – der Antrag ist eine logische Folge einer neuen Rats- und Kommissionskultur.
Zu Artikel 47, Behandlung der Geschäfte:
Zu Absatz zwei haben wir als SP einen eigenen Antrag, nämlich Traktandierung von verschobenen Geschäften an der nächsten Sitzung ja, aber nicht zwingend zu Beginn der Sitzung, dieses Einschub möchten wir streichen.
Den Antrag der AK für einen Absatz drei wir lehnen ab. Die zwingende Behandlung von Dringlichen wäre eine neue Einengung für den Stadtrat. Mit einer Flut von dringlichen Vorstössen würde sich der Stadtrat erst recht lahmlegen lassen.
Artikel 50, Gang der Beratung
Den Absatz zwei von der AK lehnen wir ab: Persönliche Erklärungen sind immer möglich und das längt, wir wollen nach dem Gemeinderat keine zweite Debatte.
Artikel 53, Verhandlungsordnung
Bei Art. 53 Absatz 3 sind wir auch dafür, dass zweimal zum gleichen Gegenstand reden pro Mitglied sollte längen. Persönliche Erklärungen bleiben möglich.
Art. 53a Redezeit
Bei Art. 53a, Absatz drei sind wir für eine Redezeit von 3 Minuten pro Antrag – da geht es ja vor allem um Antragsfluten in Reglementen.
Zu diesem Absatz haben wir einen zusätzlichen SP Antrag, dass nämlich die Redezeit nicht kumuliert wird, wenn man Geschäfte zusammen behandelt. Das ist ja der Sinn der gemeinsamen Behandlung, und ist auch jahrelang völlig unbestrittenermassen so gehandhabt worden. Wenn die Inhalte eng verbunden sind, macht es Sinn, wenn man grad zu allen Anliegen kann äussern.
Dazu haben wir mit andern Parteien einen neu formulierten Vorschlag zum ganzen Absatz drei eingereicht, dem wir den Vorzug geben würden.
Überhaupt hat das Reglement auch an Gliederung und Klarheit gewonnen, das ist abgesehen davon auch schon was.
Zum Bericht der Berner Zeitung