Armut, Milliardäre und Sozialabbau in Bern
Werte Anwesende
Ich werde für die SP-Fraktion grundsätzlich Stellung nehmen, weitere SP-SprecherInnen zu jeder einzelnen Motion.Ich bin froh, dass wir diese wichtige Debatte nun aufgrund von Motionen führen können, nach der jahrelangen Missbrauchs-Kampagne der FDP. Endlich legt sie ihre Agenda offen: die FDP will bei der Sozialhilfe die Leistungen weiter abbauen, den Druck erhöhen und die Sanktionen verschärfen: es ist keine Empfehlung aus einem zweifelhaften Bericht, es wird keine Prüfung verlangt, es geht nicht mehr nur um Missbrauch, es ist das glasklare Abbauprogramm.
Dass der Gemeinderat die Motionen durchwinken will, verstehen wir nicht, und wir würden es auch nicht verstehen, wenn im Stadtrat so argumentiert würde. Diese Diskussion müssen wir politisch führen, so ist sie gemeint und so wird sie wahrgenommen
Zuerst will ich kurz daran erinnern, was für eine FDP hier am Werk ist: Es ist die Partei der Grossbanken, die von UBS und CS mit hunderttausenden von Franken jedes Jahr unterstützt wird. Es ist die Partei, die nicht einmal bereit ist, ihre Parteispenden offen zu legen, auch wenn sie von den Sozialhilfe- Empfänger eine Generalvollmacht will.
Es ist seit dreissig Jahren die Partei der Abzocker und Staatsabbauer: Steuern senken – allein im Kanton Bern grad wieder 300 Millionen, Leistungen abbauen, öffentlicher Service privatisieren. Aber vom Staat 4 Milliarden für Swissair und 68 Milliarden für die UBS nimmt man gerne. Und 4 Milliarden für Boni bei der gleichen UBS sind kein Problem.
Es ist die Partei, wo gleichzeitig bei der Pensionskasse, der IV und der Arbeitslosenversicherung abbauen will.
In der Stadt hat die FDP in der Person von Philipp Müller einen monatelangen, bretterharten Wahlkampf mit dem Thema Sozialhilfe-Missbrauch geführt. Sie hat damit bei den Wahlen ein Debakel erlebt und einen Drittel der Sitze verloren. Die FDP schliesst in der Stadt und auf nationaler Ebene in der Zwischenzeit so nahtlos an das Gedankengut der Blocher-SVP an, dass dazwischen nicht einmal die BDP noch Platz finden. FDP und SVP werden auch in der folgenden Sozialhilfedebatte als siamesische Zwillinge auftreten,
Die SP ist sich bewusst, dass in der Gesellschaft gegenüber der Sozialhilfe ein Wandel stattfindet. Es gibt berechtigte Sorgen um den Missbrauch, es gibt Diskussionen um die Frage nach der richtigen Höhe der Leistungen oder der Form von Gegenleistungen. Wir haben die Motionen deshalb differenziert beraten, auch wenn wir sie ablehnen. Man kann den Wandel sehen, muss aber nicht alle Punkte gutheissen. Es gibt nicht nur die FDP und SVP bei diesem Thema. Es gibt zum Beispiel die Städteinitiative Sozialpolitik, den Sozialbericht des Kantons – es gibt differenzierte Analysen und Verbesserungsvorschläge. Sie fordern halt einfach nicht nur Abbau, sondern legen den Finger auf den zentralen wunden Punkt: solange die tiefen Löhne sinken, solange Arbeitsplätze fehlen, solange die staatlichen Leistungen abgebaut werden und die Existenzsicherung und Integration auch noch an die Sozialhilfe delegiert ist, gerät die Sozialhilfe zwangsläufig unter Druck. Und solange ist es ein Skandal, wenn man verlangt, die Sozialhilfe immer mehr nach unten anzupassen.
Der Kanton Bern zählt neun Milliardäre, die grösste Dichte weltweit. Jedes Mitglied der Valiant-Geschäftsleitung bekommt pro Jahr allein Aktien im Wert von 1 bis 4 Millionen Franken, der Präsident noch mehr: das ist 10 mal mehr als ein Bundesrat, 20 mal mehr als der Stadtpräsident. Gleichzeitig sind allein im Kanton Bern 90‘000 Leute arm oder armutsgefährdet, darunter 20‘000 Kinder. In der Stadt sind über 6‘000 Leute auf Sozialhilfe angewiesen, davon fast 2000 Kinder unter 17 Jahren. Und die Wirtschaftskrise ist nicht etwas vorbei, sondern steht und erst bevor. Zur Erinnerung: wir haben in der Schweiz 226‘000 Leute die eine Stelle suchen und 13‘000 offene Stellen.
Der Graben zwischen Arm und Reich wird tiefer, die sozialen Spannungen nehmen zu. Das ist das Resultat der Politik der FDP und SVP seit dreissig Jahren, die Motionen verstärken einmal mehr diesen Graben. Die SP lehnt das ab und setzt sich mit grosser Überzeugung für den Zusammenhalt der Gesellschaft ein, „dass die Stärke des Volks sich misst am Wohl der Schwachen“, wies in der Bundesverfassung heisst.
Die Motionen zielen aber auch auf die rechtliche und politische Stellung von den Sozialhilfe-Bezüger: Sie fordern Generalvollmachten, mehr Kontrolle, mehr Gegenleistungen, neue Einschränkungen und Sanktionen. Wir wollen eine Gesellschaft mit freien und selbstbewussten Bürgerinnen und Bürgern, auch wenn sie Sozialhilfe beziehen. Es ist offensichtlich: Bei 90 Prozent von der Bevölkerung mit Lohnausweis ist der automatische Informationsaustausch mit der Steuerbehörde selbstverständlich. Bei denen, wo Sozialhilfe beziehen erst recht: „Für die kleinste Anschaffung muss ich mich rechtfertigen, sonst denken die Leute, man lebe auf Kosten des Staates in Saus und Braus“, hat kürzlich eine Fürsorgeempfängerin in der Zeitung gesagt. Das ist beschämend und erniedrigend.
Wer das grosse Geld bei den Banken hat, soll nicht einmal den Hut lupfen müssen, das Bankgeheimnis legt den Schleier über Milliarden von hinterzogenen Vermögen. Dieses krasse Missverhältnis zwischen zwei Seiten der gleichen Medaille – von der FDP gerechtfertigt und über Jahre durchgesetzt und die Motionen gehen wieder genau in diese Richtung – lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Da hat die FDP definitiv jede Glaubwürdigkeit verloren. Auf diesem Gesellschafts- oder besser Geschäftsmodell lässt sich ein tragfähiges Selbstverständnis der Schweiz nicht wieder aufbauen.
Ich bin seit 30 Jahren Mitglied der SP. Es war mir selten wichtiger als heute. Und ich bin stolz, dass nachher die junge Generation der SP unsere Haltung hier im Rat vertreten wird. Wir haben intensiv diskutiert, wir haben eine differenziert Haltung. Den Kern der Abbau-Motionen der FDP lehnen wir mit grosser Überzeugung ab.