Sicherheit ist kein Konsumgut
07.000334 08/107 Stadtrat 15.5.2008: Motion Reto Nause (CVP): Sicherheitslage in der Stadt Bern verbessern – subito!
Werte Anwesende
"Gewalt und Sexualität sind Konsumgüter," hat der Berner Polizeikommandant bei der Präsentation der Kriminalstatistik im Februar gesagt. Auch Sicherheit scheint ein Konsumgut zu sein – und zwar sofort-alles, "subito", wie es im Vorstoss heisst, als handle es sich um ein Angebot im Ausverkauf.
Was nicht heissen soll, Sicherheit seit kein wichtiges Thema, die SP hat sich immer in ihrer Geschichte, und besonders seit gut einem Jahr, mit dieser Frage beschäftigt. Auch der Gemeinderat beschreibt in seiner Antwort eindrücklich, was die Stadt in den vergangenen Monaten alles unternommen hat, insbesondere im Bereich Bahnhof, wo halt die Situation mit dem Umbau, der Enge und den vielen Baustellen in letzter Zeit besonders schwierig war, und wo wir uns auf eine deutliche Entspannung freuen, wenn der neue Bahnhof Ende Mai eröffnet wird. Reto Nause hat das in seiner Rede vorhin anerkannt, trotzdem will er noch mehr Sicherheit: weil das subjektive Sicherheitsbedürfnis unbeschränkt ist, man kann immer mehr verlangen.
Der Gemeinderat ruft zur Recht in Erinnerung, dass die Sicherheitslage in Bern gut ist. Die Straftaten im ganzen Kanton Bern und der Stadt insgesamt haben im letzten Jahr, einmal mehr, abgenommen, abgenommen haben dabei auch Delikte gegen Leib und Leben, Tötungsdelikte. Zugenommen hat allerdings – kleine Klammerbemerkungen, falls vielleicht jemand, nicht subito, dafür seriös, da einen Vorstoss machen will – die Zahl der Verkehrsopfer, innerorts haben sie sich sogar verdoppelt. Klammer zu. Abgenommen haben Körperverletzungen, ebenso häusliche Gewalt, Entreissdiebstähle. Ich erwähne hier einfach die Kriminalstatistik 2007, wie sie der Kantonale Polizeidirektor Hansjörg Käser, FDP, präsentiert hat. Der Anteil ausländischer Täter hat übrigens abgenommen, aber der Anteil junger Täter und ihre Gewaltbereitschaft hat zugenommen.
Sicherheit ist deshalb für die SP ein wichtiges und langfristiges Thema, das mit Polizei, mit subjektiver Befindlichkeit, mit persönlicher Perspektive, gerade bei den Jungen, mit Gestaltung der Städte und der Wohnumgebung, aber auch und ganz zentral mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat. Ich bin überzeugt, dass, wie es die NZZ formuliert hat, "die steile Karriere einer Illusion", nämlich Sicherheit, vieles mit sozialer Unsicherheit zu tun hat. Als Beispiel gestern zwei Meldungen: Die Zahl der Menschen im Kanton Bern, die Sozialhilfe erhalten, ist 2007 trotz guter Konjunktur weiter gestiegen. Von den bestbezahlten Managern im Kanton Bern haben die meisten so Grössenordnung 33 Prozent mehr verdient – in einem Jahr. Solche Gräben fördern Verunsicherung, und das macht anfällig für das Geschäft mit der Angst und damit steigt die Versuchung, dass Parteien daraus Kapital schlagen wollen. Da sind wir dagegen. Viele Parteien haben sich die soziale Marktwirtschaft auf die Fahne geschrieben, aber leider vergessen sie in diesem zentralen Punkt ihre Parteiprogramm.
Wir lehnen die Motion ab. Im Sinne des Gemeinderates könnten wir einem Postulat zustimmen inklusive Prüfungsbericht zustimmen.
Trotz allem, ich bleibe ein optimistischer Mensch, freue mich über die Unbekümmertheit der Jungen, das Engagement der LehrerInnen wie heute auf dem Gurten bei der Kinderolympiade: "Gier und Angst sind keine tauglichen Leitmotive", haben am Wochenende viele Schweizer Ökonomie-Professorinnen und Professoren in einem Manifest geschrieben. Oder wie es der amerikanische Präsident Franklin Roosevelt gesagt hat: "wir haben nur eines zu fürchten, und das ist die Angst selbst".
P.S: der Stadtrat hat die Motion als erfüllt abgeschrieben.
Zum Vorstoss inklusive die gute Antwort des Gemeinderates