Der professionellste Sozialdienst im Kanton
Fraktionserklärung 2.7.2009
Werte Anwesende
Der Sozialdienst der Stadt ist mit Sicherheit der am besten untersuchte und der professionellste Sozialdienst im ganzen Kanton. Seit zwei Jahren jagen sich Bericht um Bericht, und ich bin felsenfest überzeugt, würde man irgend einen anderen Sozialdienst mit derselben Brille analysieren – die Stadt könnte jedem Vergleich standhalten.
Der Druck auf die MitarbeiterInnen ist enorm, und ich möchte im Namen der SP/JUSO-Fraktion allen für ihr Engagement danken. Wir verstehen auch alle, die unter diesen Bedingungen – dauernde Angriffe aus der Politik, den Medien, dem Finanzinspektor – eine neue Stelle suchen.
Gerade diese Diskrepanz – die Professionalität des Sozialdienstes und der Druck, wo trotzdem weiter geht, zeigt, dass es den Kritikern um anderes geht: Sie zielen auf die Direktorin, Edith Olibet, und nehmen damit in Kauf, den gesamten Sozialdienst weiter zu diskreditieren. Wir finden das unverantwortlich. Die Kritiker wollen aber auch, und da solle sich niemand falsche Vorstellungen machen, ganz grundsätzlich die Sozialhilfe massiv runter fahren. Die entsprechenden Vorstösse sind eingereicht.
Es ist deshalb für die SP gar nicht möglich, und wir werden das auch als Partei mit Rückgrat auch nie tun, einfach auf alle Forderungen einzugehen, um „Ruhe“ im Sozialbereich zu haben. Es steht ein Abbau-Projekt dahinter, das wir bekämpfen, und es stehen im einzelnen Forderungen dahinter, die im Widerspruch zu geltenden Gesetzen stehen, wo fachlich falsch sind, die von Kontrolle in Schikane umschlagen, oder die einen politischen Inhalt haben, den wir nicht teilen.
Auch der Gemeinderat hat dieses Recht, dass er kann Empfehlung beurteilen – und damit sind wir beim Sozialbericht im Bereich der philologischen Wortklauberei, die der Gemeinderat mit der Wortwahl im Ergänzungsbericht ausgelöst hat. Die undifferenzierte Bezeichnung „erledigt“ ist ungeschickt, missverständlich: Auch wir sind der Meinung, klare Bezeichnungen wie „politisch anders entschieden“, oder „widerspricht geltendem Recht“ etc. wären besser.
Aber inhaltlich stehen wir hinter dem Gemeinderat: Empfehlungen sind keine beschlossenen Massnahmen, es sind auch keine Weisungen, und keine überwiesenen Motionen. Der Gemeinderat hat das Recht – ja die Pflicht – dass er sie qualifiziert beurteilt, das sagt übrigens auch die externe Revisionsstelle KPMG.
In letzter Zeit hätte man manchmal meinen können, gerade die Empfehlungen des Finanzinspektors seien quasi die Bibel, unfehlbar und heilig. Das ist überhaupt nicht der Fall. Wir werden über seine Arbeit, die Frage wie weit er sich über sein eigenes Fachgebiet hinaus in Politik und fachfremden Bereichen vielleicht doch nicht so vollständig fundierte Urteile angemasst hat, beim BAK-Bericht diskutieren.
Aber es bleibt dabei: Der Gemeinderat und die zuständige Direktion haben den grossen Teil der Empfehlungen aus allen Berichten aufgenommen und sind am umsetzen. Wir honorieren das. Ich habe manchmal den Eindruck, viele interessieren sich gar nicht mehr für die Entwicklung der Sozialhilfe, das einzige ist die stete Suche nach neuen Angriffsflächen, und seien es auch „nur“ sprachliche Mängel – wobei wir, nochmals, auch der Meinung sind, es hätte bessere sprachliche Lösungen geben. Die ganze Umsetzung ist eine immense Zusatzbelastung neben der alltäglichen Arbeit. Es ist eine Umsetzungsarbeit, die mitgeholfen hat, den Sozialdienst der Stadt zum professionellsten im ganzen Kanton zu machen. Wir nehmen den Bericht, wie die SBK, zustimmend zur Kenntnis.
Nebst aller Professionalität möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass es nicht nur um Empfehlungen, Finanzinspektorats-Meinungen, sprachliche Mängel, Listen und Spalten geht, sondern um Menschen.
Dreissig Prozent der Sozialhilfeempfänger im Kanton Bern sind Kinder. Kinder unter 15 Jahren. 52‘000 Menschen im Kanton Bern sind arm, haben höchstens 21‘000 Franken im Jahr zur Verfügung. Nimmt man die dazu, die armutsgefährdet sind, das wäre ein Einkommen von 25‘000 Franken, dann sind es 90‘000 Menschen oder fast jeder zehnte im Kanton. Das ist heute so – aber die Zahl wird steigen, dann wir müssen für 2010 mit fast einer Verdoppelung der Arbeitslosigkeit rechnen. Allein die Jugendarbeitslosigkeit kann bis 10 Prozent ansteigen. Viele die arm sind arbeiten heute (noch), sogar Vollzeit, und verdienen schlicht zu wenig bei vollem Einsatz, so dass jeder zwanzigste Haushalt im Kanton zu den working poor gehört.
Wer Zahlen und Statistiken nicht gern hat, kann auch die Geschichte von I.R im zweiten Band des Berner Sozialberichtes lese. „ Manchmal ist es hart, Dinge zu schlucken. Eine Kollegin hat mir Spaghetti gebracht und eine Dose gehackte Tomaten. Das sind Zeichen von Armut, wenn jemand das Gefühl hat, er müsse mir das schenken.“ Mir stehen Geschichten aus meiner persönlichen Umgebung vor Augen: Die Bekannte, wo mich in der Migros anhaut und mich fragt warum muss ich mein hinterletzte Quittung dem Sozialamt vorlegen, nur damit meine Tochter ins Klassenlager kann wie alle andern auch. Oder die andere junge Mutter, alleinstehend, zwei behinderte Kinder, trotzdem macht sie eine Ausbildung, wo ich schon nicht weiss, wie sie das schafft, auch wenn sie auf Sozialhilfe angewiesen ist. Für die setze ich mich ein.