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Die unsichtbare Wirtschaftskrise

Der Zusammenbruch des neoliberalen Systems hat eine Wirtschaftskrise entfacht, wie sie Generationen nicht erlebt haben. Und doch ist sie im Bewusstsein vieler BernerInnen noch nicht angekommen. Die bürgerlichen Parteien schweigen. Die SP handelt: für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem.

 

Thomas Göttin

Die Wifag als grösster Industriearbeitgeber der Stadt Bern hat für das ganze Jahr 2009 Kurzarbeit beantragt und den Abbau von 90 Stellen angekündigt. In Zürich existiert ein ganzer Berufszweig nicht mehr, nämlich die Juristen, die sich mit Firmenfusionen beschäftigen. Vielleicht ist die Krise der 30er Jahre noch so stark im kollektiven Gedächtnis verankert, dass alles, was nicht diesen Bildern entspricht, für uns keine Krise ist. Das Gute daran: Die Behörden tun viel dafür, dass sich die Bilder nicht wiederholen. Das Gefährliche: Wir wollen neue Formen der Krise nicht wahrhaben.

 

Grundsätze für ein Aktionsprogramm

 

Die SP hat sich bereits im letzten Oktober zur Wirtschaftskrise geäussert. Seither haben sich namhafte SP-VertreterInnen aus Bund, Kanton und Stadt vernetzt und intensiv über mögliche Massnahmen diskutiert. Eine Arbeitsgruppe hat daraus ein Aktionsprogramm für die Stadt vorbereitet. Die Schwierigkeit: Nicht in Aktionitis verfallen und gleichzeitig die dringend notwendigen Massnahmen vorbereiten. Was die Stadt als Wirtschaftsmotor unternimmt, kommt auch dem Kanton zugute. Alle Gemeinden sollten sich gegen die Wirtschaftskrise engagieren und nicht nur auf schöne Rechnungsabschlüsse schauen. Ein Moratorium beim Schuldenabbau kann verhindern, dass Gemeinden mit prozyklischem Reduzieren der Ausgaben die Krise noch verstärken.

 

Aus- und Weiterbildung dringend

 

Auf Gemeindeebene sind vor allem die Investitionen in Aus- und Weiterbildung dringend. Die Motivation, die Kenntnisse, die Fähigkeiten der Menschen müssen erhalten, verbessert und den Bedürfnissen einer neuen Wirtschaft angepasst werden. Nach der Schule darf niemand auf der Strasse stehen. Es braucht Lehrstellenverbünde und schnell wirksame arbeitsmarktliche Massnahmen (z. B. Motivationssemester, Praktika, Programme zur Arbeitsmarktintegration). Betriebsinterne Weiterbildung bei Kurzarbeit darf nicht an Bewilligungsproblemen scheitern.

 

Grün reicht nicht als Vision

 

Die SP fordert über das Aktionsprogramm hinaus den Umbau der Wirtschaft zu mehr Ökologie und gesellschaftlicher Verantwortung. Während der ökologische Umbau kaum mehr bestritten ist – es müssen nur die Massnahmen wirklich durchgeführt werden! – braucht es in den Bereichen Kultur, Gesundheit und Bildung einen Investitionsschub. Das bedeutet Innovation und Qualität bei den Dienstleistungen auf breiter Basis, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und zu verhindern, dass eine Zweiklassen-Gesellschaft sich ausbreitet. Dazu gehören etwa neue Hausarztmodelle oder Gesundheitsnetzwerke. Qualifizierte Arbeit darf dabei nicht durch Billiglohnjobs ersetzt werden, weil das die Innovationsbereitschaft senkt und die Zweiklassen-Gesellschaft fördert. Eine neue Wirtschaftsordnung bedingt eine Abkehr vom überrissenen und kurzfristigen Gewinnstreben und eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen. Ohne diese Vision wird es nicht möglich sein, aus der Wirtschaftskrise herauszufinden.

 

Stadtfest 2010

 

Es braucht für die SP bei einer Wirtschaftskrise Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bringen wir die Solidarität, das gegenseitige Verständnis, das gemeinsame Einstehen in schwierigen Zeiten auf? Hier braucht es keine grossen Theorien oder Kurse, die SP schlägt im Stadtrat vor: Feiern wir alle gemeinsam 2010 ein grosses Stadtfest!

 

Thomas Göttin ist Co-Präsident der SP Stadt Bern

Aus: Links.ch 04/2009