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Für sozialen Klimawandel

Viele reden vom Klimawandel. Wenige vom sozialen Ausgleich. Viele lieben die Natur, leben gerne im Grünen, kaufen Bioprodukte ab Bauernhof, spielen Golf oder engagieren sich im Rotary Club. Die Kinder gehen in die Tagesschule oder in ein gutes privates Internat. Sie sind vielleicht Manager in Grosskonzernen, verdienen einen Haufen Geld, das meiste als steuerbegünstigte Optionen in Aktien der eigenen Firma. Der liberale Soziologe Ralf Dahrendorf nennt sie die globale Klasse. Alleine die Geschäftsleitungsmitglieder der hundert grössten Firmen in der Schweiz verdienen im Durchschnitt jährlich 2,2 Millionen Franken. Andere verdienen weniger. Aber immer noch viel mehr als der Durchschnitt der ArbeitnehmerInnen in der Schweiz. Der Klimawandel macht auch ihnen Sorge. Doch oft hört beim Staat ihr Verständnis auf: zu hohe Steuern, zu teure Krippentarife, zu viele Einschränkungen und Verbote. Es ist verständlich. Sie brauchen den Staat fast nicht, höchstens die Polizei oder die Feuerwehr. Sie müssen nicht auf die Sozialbehörde, selten ins RAV, die Kinder können wenn nötig auf eine Privatschule, die AHV bedeutet ihnen kaum etwas.

Wenn die Ungleichheit zunimmt, der soziale Ausgleich zwischen Generationen, zwischen Arm und Reich verloren geht, wenn das Verhältnis zum Sozialstaat auseinander klafft, dann geht auch die Solidarität verloren. An ihre Stelle tritt Angst und Misstrauen. Die Jahrhunderte alte Angst keimt auf, die "Armen" könnten den Reichen zuviel wegnehmen. Sozialmissbrauch wird zum Schlüsselwort, die Armenjagd des 19. Jahrhunderts erscheint am Horizont. Solidarität wird ersetzt durch Wohltätigkeit. Wo alleine der bestimmt, der gibt. Auch jene, die den Sozialstaat brauchen, verlieren das Vertrauen. Sie werden schikaniert. Verdächtigt. Keine gute Voraussetzung für gegenseitige Solidarität. Sie halten sich vom Staat weg. Die Oben machen doch was sie wollen.

In einer solchen Gesellschaft ist auch die Umwelt in Gefahr. Wer akzeptiert die Regeln, um Tiere und Pflanzen zu schützen. Wer besitzt das Geld, um Bioprodukte zu kaufen, und hat die Musse, die Bildung und das Naturverständnis, um dem sanften Tourismus ein Auskommen zu sichern. Wenn sich die sozialen Ungleichheiten verstärken, zieht sich die Gesellschaft den Boden für umweltpolitische Verbesserungen unter den Füssen weg, bis nur eine ganz kleine Schicht der globalen Klasse bleibt, die sich die übrig gebliebenen Reste der Natur leisten kann.

Fortschritte in der Umwelt- und Sozialpolitik gehören für mich untrennbar zusammen. Sie verstärken einander und zahlen sich wirtschaftlich aus. Ein Wirtschaftswachstum ist möglich, das allen zugute kommt und das weniger natürliche Ressourcen verschleisst. Das ist auch ganz lokal und praktisch gemeint: Investitionen in eine gute Bildung erschliessen den Jungen spannende Arbeitsbereiche in der Umwelttechnologie. Bessere Löhne lassen die Preise für ökologische Produkte erschwinglich werden, was wiederum den Absatz und das Einkommen der Produzenten erhöht. Tiefere Preise für ökologische Produkte und Dienstleistungen sind zwar auch ein gangbarer Weg – aber nur begrenzt, denn die Ressourcen der Umwelt sind begrenzt. Wo wir beginnen, ist unerheblich. Aber ohne Solidarität geht’s nicht. Deshalb trete ich ein für einen sozialen Klimawandel.

Bern, 23. September 2007

Zum Weiterlesen:

In der Ansprache zur SP-Delegiertenversammlung vom 7. Mai 2007 habe ich das Thema aufgegriffen (In meinem Blog unter diesem Datum), ebenso in einem Interview mit der Zeitung der SP Holligen mit August 2007.

Ralf Dahrendorf: Die Krisen der Demokratie, ein Interview in Buchform mit einer beunruhigenden Analyse zur zunehmenden Ungleichheit und zur Rolle der globalen Klasse.

Yolanda Kakabadse: Die Präsidentin der Weltnaturschutzunion und ehemalige Ecudorianische Umweltministerin in einem Vortrag an der Natur 2/07 in Basel mit einer Analyse des Zusammenhangs zwischen Armut und Umweltpolitik (in englisch).