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37 zu 37

Manchmal steht ein Geschäft im Stadtrat auf der Kippe. Dann wird es spannend. Als es um die Erhaltung der Quartierbibliothek im Laubeggschulhaus ging, zählten wir noch während der Debatte die vermutete Stimmenzahl: 37 Ja und 37 Nein. Beim Gang ans Rednerpult war mir bewusst: Es zählt jetzt weder die Wirkung auf die Medien, ja nicht einmal die direkte Überredungskunst, vielmehr ob es gelingt, die offenen Fragen, die Unklarheiten, die mit diesem Geschäft verbunden sind, mit der inneren Unruhe einer Magnetnadel einzufangen. Erst dann sind die Gegner und die Unentschlossenen überhaupt bereit zuzuhören. Das wiederum schafft die Basis für Argumente.

In der Vorbereitung hatte mir ein Kenner des umstrittenen Geschäfts anvertraut: "Da gibt es nur eine Lösung". Selbst für diese scheinbar simple Frage der Quartierbibliothek ist das falsch. Welchen Stellenwert hat die Bibliothek fürs Quartier? Der Pausenplatz für die Schulkinder? Wie gut sind die Beteiligten informiert worden? Zuerst braucht es die Bereitschaft, die unterschiedlichen Probleme überhaupt wahrzunehmen und zu benennen. Das bedeutet Offenheit gegenüber allen politischen Lagern, innerhalb von RGM und innerhalb der eigenen Partei. Oft leiden wir PolitikerInnen unter akuten Wahrnehmungsstörungen, reden aneinander vorbei und rufen aufgeregt "Macht etwas, tut etwas", was niemand mehr ernst nimmt, weil der Bezug zu den Lebensumständen der Menschen verloren gegangen ist. Diese haben ein feines Gespür für leere Worte. Es ist ein schwacher Trost, dass in den bürgerlichen Pareien, erst Recht in den Chefetagen der Wirtschaft die Wahrnehmungsstörungen noch viel ausgeprägter sind. Auch wenn Offenheit auf Kosten der vermeintlich klaren und einzigen Lösungen gehen sollte, so bleiben doch bessere und schlechtere Alternativen. Auf dieser Basis gilt es dann im Parlament und in den Kommissionen die Argumente auszutauschen. Im Falle des Laubeggschulhauses ist die Quartierbibliothek erhalten geblieben. Nicht weil es die einzige Lösung war. Sondern weil die Argumente für die bessere Alternative überzeugt haben.

Thomas Göttin