Berliner und Bildung
Sehr geehrter Herr Botschafter (Dr. Lampe)
Sehr geehrte Damen und Herren aus Berlin
Werte Anwesende
Herzlich willkommen in der Stadt Bern!
Es ist mir eine grosse Ehre, Sie heute in der Stadt Bern begrüssen zu dürfen. Ich muss mich gleich korrigieren: Eigentlich begrüsse ich Sie hier zwar in meiner Nachbarschaft (ich wohne ganz in der Nähe), aber nicht wirklich in der Stadt Bern, sondern gewissermassen auf deutschem Boden. Das versetzt mich meinerseits kurz in die Position eines stadtbernischen Botschafters, der Ihnen mitteilen muss, dass Sie, möglicherweise entgegen Ihrer Annahme und trotz der langen Anreise von Berlin, gar noch nicht in Bern angekommen sind.
Zudem begrüsse ich Sie als Gesandter: Mein Name ist zwar Thomas Göttin und ich bin der 2. Vizeratspräsident des Stadtrates von Bern. Ich stehe aber hier anstelle von Frau Tania Espinoza Haller, der amtierenden Stadtratspräsidentin, welche verhindert ist. Sie hat mich gebeten, diese Grussworte in ihrem Namen an Sie zu richten. Was ich ausgesprochen gerne tue: Tania Espinoza setzt sich sehr für Bildung ein. Einige der Anwesenden aus Bern kennen sie persönlich, arbeiten mit ihr zusammen und können Ihnen das sicher bestätigen. Auch heute: Als Stadtratspräsidentin leitet sie die Budgetdebatte. Und sorgt hoffentlich dafür, dass auch in Zeiten der Sparpolitik die Bildung nicht zu kurz kommt.
Bern ist beileibe nicht Berlin, auch wenn an Gemeinsamkeiten nicht bloss das Wappentier oder der ähnlich klingende Namen zu entdecken sind. Ich erlaube mir, Ihnen die Stadt Bern kurz vorzustellen: in Anlehnung an Paul Klee, den weltberühmten Maler, mit Wurzeln sowohl in Bern als auch in Deutschland, mit ein paar wenigen Pinselstrichen (oder Quadraten?).
Seit 1218 freie Reichstadt, trat Bern 1353 der Eidgenossenschaft bei und entwickelte sich bis ins 16. Jahrhundert zum grössten Stadtstaat nördlich der Alpen. Das Rathaus von 1414, in dem eben der Stadtrat tagt und das seit genau 600 Jahren in Betrieb ist, gilt als eine der grössten zivilen Bauten seiner Zeit nördlich der Alpen. 1983 wurde die Berner Altstadt in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Seit 1848 fungieren wir als Bundesstadt: der Begriff „Hauptstadt“ ist nicht korrekt, in der föderalen Schweiz mochte man der Hauptstadt nicht einmal die Bezeichnung gönnen - und trotzdem bildet Bern das politische Zentrum der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Während in Zürich, Basel und Genf die Wirtschaft (vor allem die Finanzwirtschaft) etwas lauter brummen mag, pulsiert in Bern das Herz der Politik, und gleichzeitig ist die Agglomeration Bern eine der grössten Industriestandorte der Schweiz. Die Stadt hat 135‘000 Einwohner, aber über 150‘000 Arbeitsplätze.
Im Gegensatz zu Berlin liegen wir auch geografisch recht zentral, was selbst in der kleinräumigen Schweiz von Vorteil ist, gerade angesichts der Tatsache, dass unsere gewählten nationalen Volksvertreter ja Milizparlamentarier sind und ausserhalb der Sessionszeiten jeweils in ihrem normalen Beruf tätig sind - dieser ist allerdings auch bei uns zunehmend der gleiche wie in den Sessionen: Politik.
In Bern sind die Wege kurz – auch dank den guten Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr. Wenn man Lust hat und eine funktionierende Lunge (und ein Fahrrad) lässt sich Bern bestens mit dem Fahrrad erkunden. Oder zu Fuss: Bern hat viele Kilometer Lauben, wo man „gäbig cha lädele“, wie Tania geschrieben hat. Auch bei Regen. Und der fällt hier, wiewohl wir aus Berliner Sicht eine richtig südliche Stadt sind, doch recht häufig. Ich erlaube mir eine Bemerkung zum Manuskript: ich bin wohl eher der Velofahrer, und Tania ist die Fussgängerin, ich finde es überhaupt nicht so gäbig beim Lädele, denn ich verirre mich immer in den Lauben.
Bern ist eine Stadt zum Wohnen. Wir Berner gelten schweizweit als gemütlich, haben es nicht so mit dem Stress. Es gibt sogar Studien, welche Bern den Status als „langsamste Hauptstadt“ - pardon Bundesstadt - der Welt bescheinigen. Darauf sind wir stolz, weil wir uns sagen, dass in einer Welt der permanenten Beschleunigung ein bisschen Entschleunigung ganz gut tut. Tja und dann gönnen uns noch einen Schwumm in der schönen grünen Aare, in welcher man direkt vors Bundeshaus schwimmen kann. Meine persönliche Einschätzung: Bei aller Hochachtung für das Badeschiff in Berlin – da ist Bern einmalig.
Bern ist ein wichtiger Bildungsstandort – was gerade Sie besonders interessieren dürfte. Die Volksschule mit knapp 10'000 Schülerinnen und Schülern, welche von rund 1000 Lehrkräften in rund 500 Klassen unterrichtet und durch 1 Schulinspektor inspiziert werden (Peter Hänni, er ist heute ebenfalls anwesend), bildet das Fundament. Weiterführende Schulen, diverse Fachhochschulen und die Universität Bern ermöglichen eine Ausbildung in zahlreichen Bereichen und sind ein typisches Beispiel für das erfolgreiche schweizerische duale Bildungssystem. Aber hierzu werden Sie ja zweifellos noch im Detail informiert werden...
Klee – der Maler - ist bekannt für seine, mit leichter Hand und wenig Farbe erstellten Aquarelle. Ich will mich hier an seine Vorgabe halten und Ihnen nicht weiter die Vorzüge unserer Stadt unter die Nase reiben – am besten, Sie machen sich selber ein Bild davon!
Wie Frau Espinoza Haller bin ich heute – unbernisch - in Eile, eben weil die Budgetdebatte begonnen hat. Und die ist auch hier in Bern ein Herzstück der politischen Diskussion, die auch schon bis vier Uhr morgens gedauert hat, und die kein Parlamentarier versäumen – je nach Grad des Masochismus: muss, darf oder versäumen sollte.
Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen einen angenehmen Aufenthalt bei uns in Bern.